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Schwarz-Weiß-Aufnahme von Helmut Schmidt, Rainer Barzel und Wolfgang Mischnick bei einem TV-Interview

Interview von ARD und ZDF mit Helmut Schmidt, Wolfgang Mischnick und Rainer Barzel zur Bundestagswahl 1969, Quelle: BArch, B 145 Bild-00080021 / Wegmann, Ludwig

Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1961 – Adenauers Interpretation von „Mit dem Zweiten sieht man besser“

Das erste Grundsatzurteil zur Rundfunkfreiheit – Die Entscheidung zum „Deutschland-Fernsehen“ von 1961 (BVerfGE 12, 205-264)

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  • Deckel der Akte zum Verfahren mit dem Aktenzeichen 2 BvG 1/60

  • Die Grundrechte

  • Rundfunkintendanten bei Bundeskanzler Konrad Adenauer (1951)

  • Erste Seite des Antrags im Verfahren 2 BvG 1/60

  • Letzte Seiten der Urschrift des Urteils

  • Interview von ARD und ZDF mit den Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen zur Bundestagswahl 1969

  • Foto der Akten

Im 1. Rundfunk-Urteil stellte das Bundesverfassungsgericht 1961 klar, dass der Rundfunk „weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert“ werden darf. Diese Grundsatzentscheidung ist im Bundesarchiv in Koblenz vollständig einsehbar.

Der Hintergrund

Seit Beginn seiner Amtszeit sah sich Bundeskanzler Konrad Adenauer einer seiner Meinung nach zu einseitigen und regierungskritischen Berichterstattung der in der ARD zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten gegenüber. Dem sollte mit der Einführung eines zweiten, vom Bund kontrollierten Senders begegnet werden. Für Aufbau und Produktion dieses zweiten bundesweiten Fernsehprogramms wurde im Dezember 1958 zunächst die private „Freies Fernsehen GmbH“ (FFG) gegründet, die jedoch auf direkte Ablehnung der Länder stieß. Um eine drohende Verfassungsklage der Länder abzuwenden, unternahm die Bundesregierung dann schließlich im Juli 1960 mit der Gründung der Dachgesellschaft „Deutschland-Fernsehen GmbH“ noch den letztlich erfolglosen Versuch, die Länder durch eine anteilsmäßige Beteiligung in das Vorhaben einzubinden.

Der Bund-Länder-Streit

Gegen dieses sog. „Adenauer-Fernsehen“ legte im August 1960 die Freie und Hansestadt Hamburg Klage beim Bundesverfassungsgericht ein (2 BvG 1/60). Ihrem Antrag schlossen sich wenig später Niedersachsen und Bremen an. Eine weitere Klage folgte im September 1960 durch das Land Hessen (2 BvG 2/60). Zur Verhinderung des für den 1. Januar 1961 geplanten Programmstarts wurden im Oktober 1960 zudem Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt (2 BvQ 4/60, 2 BvQ 7/60, 2 BvQ 10/60, 2 BvQ 11/60).

Die von der SPD regierten Länder sahen nicht nur eine Missachtung von Art. 30 GG, wonach allein den Ländern die Hoheit zur Veranstaltung und Ausstrahlung von Rundfunksendungen zustehe. Sie erblickten in diesem Versuch staatlicher Einflussnahme auf den Rundfunk überdies einen Verstoß gegen die in Art. 5 GG garantierte Rundfunkfreiheit sowie gegen das verfassungsmäßige Gebot des bundesfreundlichen Verhaltens. Im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle begehrte Hamburg zudem die Feststellung, dass das im NDR-Staatsvertrag gewährte ausschließliche Recht des NDR zum Aufbau und Betrieb von Sendeanlagen in seinem Sendegebiet mit Art. 73 Nr. 7 GG vereinbar ist.

Die Verfahren 2 BvG 1/60 und 2 BvG 2/60 wurden seitens des Bundesverfassungsgerichts in der Folge zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Einstweilige Anordnung und Urteil

Mit einer einstweiligen Anordnung vom 17. Dezember 1960 wurde der Sendestart durch das Bundesverfassungsgericht dann auch bis zur Entscheidung in der Hauptsache untersagt.

Das unwiderrufliche Ende bedeutete dann das Urteil des Zweiten Senats vom 28. Februar 1961. Ausgehend vom umfangreichen Gutachten (Votum) der Berichterstatter Hans Kutscher und Willi Geiger sowie Ernst Friesenhahns, stellte das Gericht nach ausführlichen Beratungen im Senat sowie einer dreitägigen mündlichen Verhandlung vom 28. bis 30. November 1960 schließlich fest, „dass für den Rundfunk als einem neben der Presse stehenden, mindestens gleich bedeutsamen, unentbehrlichen modernen Massenkommunikationsmittel und Faktor der öffentlichen Meinungsbildung die institutionelle Freiheit nicht weniger wichtig ist als für die Presse. […] Gründung und Existenz der Deutschland-Fernsehen-GmbH verstoßen demnach gegen Art. 5 GG.“

Das Urteil zementierte damit die Staatsfreiheit des Rundfunks. Zugleich bestätigte es die alleinige Länderkompetenz für die Organisation des Rundfunks nach Art. 30 GG und beschränkte die Zuständigkeit des Bundes aus Art. 73 Nr. 7 GG auf die Übertragungstechnik. Demnach war auch das sendetechnische Monopol des NDR verfassungswidrig (umgesetzt im BGBl. I 1961, 269).

Folgen und Nachwirkungen

Die Entscheidung fiel für Bundeskanzler Adenauer ungünstig in das Bundestagswahljahr 1961. Mit einer bemerkenswert klaren Bewertung äußerte er dazu im Bundestag: „Das Kabinett war sich darin einig, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts falsch ist.“ Letztlich bedeutete das Verbot für den Bund zudem Schulden in Höhe von 35 Mio. DM. Anstelle eines staatlich gelenkten, privatrechtlichen Senders wurde dann 1963 seitens der Länder durch Staatsvertrag als zweite öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt das „Zweite Deutsche Fernsehen“ (ZDF) gegründet.

Das Urteil bildete das erste von bis heute insgesamt 14 Rundfunk-Urteilen des Bundesverfassungsgerichts. Mit der Feststellung der alleinigen Länderkompetenz für das Rundfunkwesen wurde darin nicht nur die Kulturhoheit der Länder bestätigt, es bedeutete auch insgesamt eine Stärkung der föderalen bundesstaatlichen Ordnung.

Was ist im Bundesarchiv in Koblenz einsehbar?

Einsehbar sind neben den mehrbändigen Verfahrensakten, den Rechtsgutachten sowie den Tonbandabschriften der mündlichen Verhandlung nunmehr unter anderem der Bericht von Hans Kutscher zur Entwicklung des deutschen Rundfunkwesens und den Anträgen der Prozessparteien sowie das umfangreiche mehrteilige Gutachten (Votum) der Bundesverfassungsrichter Ernst Friesenhahn, Hans Kutscher und Willi Geiger.

Darüber hinaus finden sich Entwürfe des Urteils und der Leitsätze. Sie bieten in ihrer Gesamtheit detaillierte Informationen über den Verlauf der richterlichen Beratungen und die gerichtliche Entscheidungsfindung.

Weiterführend ist auch auf den Bundesarchiv-Bestand B 263 (Freies Fernsehen) hinzuweisen.