Angesichts der sich weiter verschlechternden Lage in der DDR wollte Ministerpräsident Lothar de Maizière die Einheit möglichst schnell herbeiführen. Am 22. August 1990 beantragte er eine Sondersitzung der Volkskammer, die um 21 Uhr begann. Die Deutsche Soziale Union (DSU) forderte eine sofortige Vereinigung der beiden deutschen Staaten. Doch dies war gar nicht möglich, weil die „Zwei-plus-Vier-Gespräche“ zwischen der Bundesrepublik, der DDR und den vier Alliierten USA, Großbritannien, Sowjetunion und Frankreich noch nicht abgeschlossen waren.
Verschiedene mögliche Termine nach dem voraussichtlichen Abschluss der Verhandlungen wurden diskutiert. Der Vereinigungstermin sollte unbedingt vor dem 7. Oktober liegen, dem Staatsfeiertag der DDR. Gegen 3 Uhr morgens einigte man sich mit der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit auf den 3. Oktober 1990.
Schon am Folgetag wurde das Abschlussdokument für den Vereinigungsvertrag fertiggestellt und am 31. August feierlich unterzeichnet. Das Dokument umfasste knapp eintausend Seiten. Dennoch konnten nicht alle Fragen abschließend geklärt werden.
Die wirtschaftliche Situation in der DDR blieb angespannt. Die „Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums“ (im Volksmund kurz „Treuhand“) begann mit der „Privatisierung und Verwertung volkseigenen Vermögens nach den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft“.
Die Vorläuferorganisation der Treuhand war am 1. März 1990 unter Ministerpräsidenten Hans Modrow noch mit ganz anderen Zielsetzungen geschaffen worden. Nun sollten Kombinate und Volkseigene Betriebe in GmbHs oder Aktiengesellschaften umgewandelt werden. In jedem Einzelfall musste die Anstalt entscheiden, wie die Überlebenschancen der Betriebe einzuschätzen waren und mit wem sie kooperieren könnten. Leitlinie sollte die von dem im darauffolgenden Jahr von der RAF ermordeten Treuhandchef Detlev Karsten Rohwedder geprägte Formel „schnelle Privatisierung, entschlossene Sanierung, behutsame Stilllegung“ sein.
Wie sich später herausstellte, startete die Treuhandanstalt allerdings mit einer Fehleinschätzung. Basierend auf den frisierten Angaben früherer DDR-Veröffentlichungen wurden die Wettbewerbsfähigkeit der DDR-Wirtschaft und damit der Wert des DDR-Vermögens auch im Westen völlig überschätzt. Die wirtschaftlich notwendige Schließung zahlreicher völlig veralteter Betriebe, Fälle von Korruption und Missmanagement und der massive Arbeitsplatzverlust verbitterten viele Menschen in der DDR. Sie sahen sich um ihr Lebenswerk gebracht.
Die vielfach zu hoch gesetzten Erwartungen auf ein „Wirtschaftswunderland“ oder die von Helmut Kohl versprochenen „blühenden Landschaften“ erfüllten sich nicht so schnell wie erhofft. Die meisten Unternehmen wurden durch westdeutsche Investoren und Unternehmen aufgekauft und es wurden zahlreiche westdeutsche Manager und Führungskräfte eingesetzt, die eine umgangssprachlich als „Buschprämie“ bezeichnete Lohnzulage erhielten. Dies empfanden viele Ostdeutsche als einen „Ausverkauf“ ihrer Lebensleistung und als eine Bevormundung. Noch ein Vierteljahrhundert nach ihrer Auflösung 1994 blieb die Treuhand in Ostdeutschland ein hochemotionales Thema.