Errichtung einer Sperrzone
Den Auftrag zur Sicherung der innerdeutschen Grenze und zur Einrichtung einer "besonderen Sperrzone" mit einer "besonderen Ordnung" erhielt das Ministerium für StaatssicherheitMinisterium für StaatssicherheitDas Ministerium für Staatssicherheit (umgangssprachlich oft kurz "Stasi") war politische... (MfSMinisterium für StaatssicherheitDas Ministerium für Staatssicherheit (umgangssprachlich oft kurz "Stasi") war politische...). In unmittelbarer Nähe der Demarkationslinie sollte die Sperrzone einen 10 m breiten Kontrollstreifen aufweisen, gefolgt von einem 500 m breiten Schutzstreifen und einem rund 5 km breiten Sperrgebiet. Insgesamt nahm das Gebiet entlang der rund 1400 km langen Grenze eine Fläche von 3000 km² ein.
Wilhelm ZaisserZaisser, Wilhelm20.06.1893 - 03.03.1958
, erster Minister für Staatssicherheit, war seit kurzem auch für die GrenzpolizeiGrenzpolizeiDie Grenzpolizei in der SBZ/DDR wurde auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht zum 01.12.1946 in... zuständig. Er erließ eine Polizeiverordnung, die für die gesamte Sperrzone Sonderregelungen festlegte. Mit ihrem Inkrafttreten am 27. Mai unterlagen Anwohnerinnen und Anwohner des Gebietes strengen Meldeauflagen und staatlich vorgegebenen Verhaltensregeln. Besucherinnen und Berufspendler erhielten "Passierscheine", sie mussten sich bei "Einreise" anmelden und beim "Verlassen" des Gebietes abmelden. Die Sperrzone wurde zu einer Sonderzone innerhalb der DDR mit detaillierten Regeln.
Generalstabsmäßig aus den Häusern vertrieben
Zur weiteren Sicherung des Gebietes wies das Ministerium des Innern die Volkspolizei an, alle in der Sperrzone lebenden Bürgerinnen und Bürger zu überprüfen und in ihrer Grundhaltung zur DDR einzuschätzen. Personen, die als politisch unzuverlässig galten, sollten ausgewiesen werden. Mit dem Einsatz der Zwangsumsiedlung als abschreckende Maßnahme waren Willkür, Denunzierung und Diskriminierung Tür und Tor geöffnet.
Alle ausgewiesenen Personen mussten nach Bekanntgabe oft innerhalb weniger Stunden die Sperrzone verlassen, ohne zu wissen, wo sie künftig wohnen würden. Eine ursprünglich vorgesehene Frist von zwei Tagen wurde bei der praktischen Durchführung der Ausweisungen kaum eingehalten und die Betroffenen wurden häufig überrumpelt. Für die Ausweisung waren Sonderkommissionen bestehend u. a. aus Vertretern der Volkspolizei, der Staatssicherheit und des jeweiligen Kreisamts zuständig. Allein die politische Führung entschied darüber, wohin die Menschen umgesiedelt wurden, welchen Arbeitsplatz sie bekamen und in welcher Weise sie eine Entschädigung erhielten. Nur wenn Verwandte Wohnraum und Arbeitsmöglichkeiten beschaffen konnten, wurden in Ausnahmefällen die Wünsche der Ausgewiesenen berücksichtigt.
Die Durchführung der Zwangsaussiedlungen war generalstabsmäßig geplant. Mit den Listen der Auszuweisenden durchkämmte die Volkspolizei Dörfer und Städte. Eine erste Aussiedlungswelle begann am 29. Mai in Sachsen-Anhalt, die meisten Deportationen fanden ab dem 5. Juni statt. Die Betroffenen mussten in aller Eile ihre Häuser verlassen und wurden mit ihrem Hab und Gut in Lastwagen und Zügen zu ihren neuen Wohnorten im Landesinneren verbracht.
In einem Bericht der MfS-Kreisverwaltung Bad Salzungen an die MfS-Landesverwaltung Thüringen vom 9. Juni 1952 z. B. werden 307 Familien bzw. 989 Personen genannt, die ausgesiedelt werden sollten. Darunter befanden sich Landwirte, Geschäftsleute, Hausfrauen, Handwerker, Angestellte, Arbeiterinnen und Rentner. Die meisten waren im Alter zwischen 40 und 60 Jahren und wurden überwiegend als kriminell oder "reaktionär-antidemokratisch" abgestempelt.
Nicht immer jedoch lief die Zwangsaussiedlung ohne Komplikationen ab. Proteste, Demonstrationen, Widerstände gegen die Ausweisung und Fluchten über die Grenze verzögerten und störten den Ablauf der Aktion zum Teil erheblich.
Mit der Aktion "Ungeziefer" wurden Tausende DDR-Bürgerinnen und Bürger als "unsichere" bzw. "kriminelle Elemente" stigmatisiert und innerhalb weniger Wochen aus der Sperrzone abtransportiert. Knapp zehn Jahre später - kurz nach dem Bau der Mauer im August 1961 - ordnete die DDR-Führung an der innerdeutschen Grenze weitere Zwangsaussiedlungen an. Erneut verloren tausende Menschen ihre Heimat.