Im Dienste des Klassenkampfes
Die Staats- und Parteiführung der DDR sah im Leistungssport eine wichtige Möglichkeit, sich international zu profilieren. Davon zeugt zum Beispiel die vielgebrauchte Bezeichnung der Spitzensportler als "Botschafter im Trainingsanzug".
Sport war ein wichtiges Instrument des "Klassenkampfes", sowohl weltweit als auch zwischen den beiden deutschen Staaten. So erklärt sich der ungeheure Aufwand in personeller, finanzieller und materieller Hinsicht, den die Partei- und Staatsführung der DDR betrieb. Zuletzt wurden im Jahre 1989 allein für Zuwendungen an Sportler und für Löhne im unmittelbaren Trainingsbereich über 190 Millionen Mark ausgegeben. Die Ausgaben für den Bau und die Unterhaltung der Trainingsobjekte sowie der Finanzierung die Forschung umfassten ein Vielfaches davon.
Wie bedeutsam die Vorgaben der Partei auch im Bereich Sport für das MfS waren, zeigt die Dienstanweisung Nr. 4/71 über die politisch-operative Arbeit im Bereich Körperkultur und Sport: "Die Beschlüsse des VIII. Parteitages der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und der Beschluß des Staatrates über die Aufgaben der Körperkultur und des Sports bei der Gestaltung der entwickelten Gesellschaft in der Deutschen Demokratischen Republik erhöht die Anforderungen an die Heranbildung und Erziehung sozialistischer Sportlerpersönlichkeiten, die als Repräsentanten des sozialistischen deutschen Staates die DDR würdig im Ausland vertreten" (Quelle: MfS ZA Dokumentenstelle 100600).
Sportvereinigung "Dynamo"
Eine Sonderstellung nahm daher die Sportvereinigung "Dynamo" ein. Sie agierte fast uneingeschränkt innerhalb des DDR-Sportsystems und verfolgte einen eigenen, sportpolitischen Kurs. Der Sportvereinigung kam dabei eine besondere Vorbildwirkung zu, festgelegt in der Satzung der SV Dynamo. Mitglieder sollten sich auszeichnen
- durch "tiefe Liebe zu ihrem sozialistischen Vaterland, Treue zum Arbeiter-und-Bauern-Staat und zur Partei der Arbeiterklasse",
- durch "Standhaftigkeit, Mut, Kühnheit, Ausdauer und Entschlußkraft",
- durch "revolutionäre Wachsamkeit und hohe Einsatzbereitschaft zur Verteidigung des Friedens gegen die Feinde der Menschheit" und
- durch "ihr Eintreten für Humanismus und Völkerfreundschaft im Geiste der hohen Ideale der olympischen Idee".
Von der Gründung der SV Dynamo im Jahr 1953 bis 1989 war Erich MielkeMielke, Erich28.12.1907 - 21.05.2000
der 1. Vorsitzende der SV, den 2. Vorsitzenden stellte das Ministerium des Innern. Die finanzielle und materielle Ausstattung der SV Dynamo erfolgte fast ausschließlich durch das MfSMinisterium für StaatssicherheitDas Ministerium für Staatssicherheit (umgangssprachlich oft kurz "Stasi") war politische.... Mit zuletzt 278.000 Mitgliedern und 380 Sportgemeinschaften war sie die zahlenmäßig stärkste und erfolgreichste Sportvereinigung innerhalb des Deutschen Turn und Sportbundes (DTSB).
Der größte Sportclub in der Sportvereinigung Dynamo war der Sportclub Dynamo Berlin (SC Dynamo), der fast alle olympischen Disziplinen trainierte. Aus ihm gingen weitere Sportclubs hervor, darunter der SC Dynamo Berlin-Hoppegarten, der BFC Dynamo, die Kinder - und Jugendsportschule Dynamo, die Sportstätten des Sportforums Berlin und einige mehr. Darüber hinaus bestanden in der SV Dynamo einige Sportgemeinschaften, die gleichermaßen wie die Sportclubs gefördert wurden und unter Profi-Bedingungen zahlreiche DDR-Meister, Weltmeister und Olympiasieger hervorbrachten.
Das MfS und der Sport
Bei der Durchsetzung der DDR-Sportpolitik nahm das MfSMinisterium für StaatssicherheitDas Ministerium für Staatssicherheit (umgangssprachlich oft kurz "Stasi") war politische... eine Schlüsselposition ein. Hauptaufgabe der Stasi in diesem Bereich war es unter anderem, die Doping-Praxis zu verschleiern, umfassende Informationen über die Sportler zu sammeln und Republikfluchten von Spitzensportlern zu verhindern. Trotz des hohen Einsatzes an hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeitern flüchteten in den Jahren 1950 bis 1989 insgesamt 615 Personen des DDR-Sports, vor allem aus den Bereichen Leichtathletik, Fußball und Rudern. 25 Jahre lang führte das MfS den Zentralen Operativen Vorgang (ZOVZentraler Operativer VorgangVorgangsart zur zentralisierten operativen "Bearbeitung" von "Vorkommnissen und Personen" mit einer...) "Sportverräter". In ihm wurde in 50 Teilvorgängen insgesamt 63 Personen bearbeitet, die zwischen 1960 und 1987 die DDR verlassen hatten. Besonders betroffen davon waren die Sportclubs in Leipzig, der TSC Berlin und der SC Dynamo Berlin.
Das Ende der SV Dynamo
Am 17. November 1989 wurde das Ministerium für StaatssicherheitMinisterium für StaatssicherheitDas Ministerium für Staatssicherheit (umgangssprachlich oft kurz "Stasi") war politische... in Amt für Nationale SicherheitAmt für Nationale SicherheitDie Umwandlung des MfS in ein AfNS erfolgte im Zusammenhang mit der Neubildung der Regierung durch... (AfNS) umbenannt. Nur kurze Zeit später, am 13. Januar 1990, beschloss der Ministerrat die Auflösung des AfNS. Im selben Jahr wurde auch die Sportvereinigung abgewickelt. "Durch die Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit hat die Sportgemeinschaft "Dynamo" Berlin - Hohenschönhausen für die Weiterführung der Sportarbeit ihre Trägerdienststellen verloren ...", heißt es in einer Erklärung der SG "Dynamo" Berlin-Hohenschönhausen zur Situation nach der Auflösung des AfNS.