Die sowjetische Monatszeitschrift "Sputnik" existierte seit 1967 in der UdSSR und erschien in mehreren Sprachen. Mit Beginn von Glasnost und Perestroika in der Sowjetunion informierte "Sputnik" in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre auch über die Reformpolitik Gorbatschows und griff frühere Tabuthemen auf, wie die Verbrechen Stalins. In der DDR eröffnete die Zeitschrift ihrer Leserschaft damit eine willkommene Abwechslung in der Medienlandschaft. Mit Beginn der Politik von Glasnost und Perestroika in der Sowjetunion interessierten sich vermehrt intellektuelle Kreise für die Zeitschrift.
Das Verbot durch den Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker im November 1988 provozierte in der gesamten DDR Proteste. Die Stasi ermittelte landauf und landab die Stimmungslage und Meinungen in der Bevölkerung, vielfach durch Inoffizielle Mitarbeiter (IM).
Es war unschwer zu erraten, dass nicht das Postministerium das Verbot veranlasste. Vielmehr handelte es sich um einen Entschluss der SED-Führung. In der November-Ausgabe des "Sputniks" ging es um den 1939 geschlossenen deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt zwischen Hitler und Stalin, der auch eine Aufteilung Polens vorsah. Diese Darstellung widersprach jedoch dem in der DDR propagierten Geschichtsbild. Mit dem Artikel "Gegen die Entstellung der historischen Wahrheit" lieferte die SED-Führung in ihrem Zentralorgan „Neues Deutschland“ am 25. November die Begründung für ihre Entscheidung nach. (o.V., Gegen die Entstellung der historischen Wahrheit, in: Neues Deutschland, 25.11.1988, S. 2.)
Sie war eine heimliche Abwendung vom Demokratisierungsprozess in der UdSSR.
Reaktionen und Proteste gegen das Verbot
Die Reaktionen auf das "Sputnik"-Verbot waren ablehnend, wütend und teilweise aggressiv und kamen sowohl von SED-Mitgliedern wie auch von Parteilosen.
Drastisch formulierte Einzel- und Kollektiveingaben wurden zur weiteren Bearbeitung an die Stasi übergeben. Alle anderen Einsendungen erhielten standardisierte Antworten unter Verweis auf die oben erwähnten Artikel. Die Aussprachen zwischen der Parteikontrollkommission (PKK) und den Verfasserinnen und Verfassern der Eingaben vom Dezember 1988 basierten auf den Argumenten aus diesen beiden Artikeln. Sie dienten zur "Gesinnungsprüfung" der betreffenden SED-Mitglieder. Schließlich gelang es damit, Diskussionen über die Situation in der DDR noch einmal abzuwürgen.
Auch Stasi-Angehörige schrieben Eingaben an das Zentralkomitee der SED. Bei anschließenden Aussprachen sollten sie ihren kritischen Standpunkt zu der Zensurmaßnahme aufgeben.
Für die Parteiführung hatte das "Sputnik"-Verbot schwerwiegende Folgen. Es vertiefte die Entfremdung zwischen der SED und ihren "loyal-reformorientierten" Anhängern, befürchteten letztere doch eine Abschottung der DDR auch nach Osteuropa. Die beinahe unterschiedslosen Argumentationen von SED-Mitgliedern und Parteilosen zeugten laut Stasi-Berichten von Unverständnis und Ablehnung des Verbots. Selbst SED-Anhänger übten Kritik an der Informationspolitik der Partei und forderten eine argumentative Auseinandersetzung mit den Positionen im "Sputnik".
Reaktionen gab es auch von sowjetischer Seite. Im Februar 1989 musste das SED-Politbüro zur Kenntnis nehmen, dass die Sowjetunion zum 1. April eine erhebliche Reduzierung der Bezugszahlen von 24 DDR-Zeitungen und –Zeitschriften mit der Begründung eines erforderlichen Ausgleichs der gegenseitigen Lieferungen verfügte:
Erst unter dem neuen SED-Generalsekretär Egon Krenz wurde im Oktober 1989 eine Wiederaufnahme des "Sputnik" in die Postzeitungsliste angekündigt.