Im SED-Staat war die Umweltpolitik der "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" untergeordnet. Umweltdaten unterlagen seit einem Beschluss des Ministerrates vom 16. November 1982 der Geheimhaltung. Schon seit den 70er Jahren wurde über Umweltverschmutzungen und deren gesundheitliche Folgen nicht mehr berichtet. Das Thema erfuhr dennoch in den 80er Jahren zunehmende Beachtung einer kritischen Öffentlichkeit, die im Gegensatz zur Partei- und Staatsführung nicht länger bereit war, die schwerwiegenden Folgen des ökologischen Raubbaus in der DDR stillschweigend hinzunehmen.
Umweltschutz unter dem Dach der Kirche
Mit ihren Forderungen nach kritischer Diskussion von Umweltrisiken entwickelte sich die oppositionelle Bewegung in der DDR vorwiegend in den stark industrialisierten Regionen der DDR zu einem Ärgernis für die SED-Spitze. Denn die Umweltgruppen prangerten die ökologische Untätigkeit und Verantwortungslosigkeit der Partei- und Staatsführung sowie der Wirtschaftsbetriebe an. Davon zeugt das Beispiel einer Umweltgruppe aus Leipzig.
Der Fluss Pleiße galt ursprünglich als Lebensader der Stadt Leipzig. Er wurde "verrohrt, verschüttet, abgedeckt und unterirdisch abgeleitet", weil er biologisch tot war und eine enorme Geruchsbelästigung darstellte. Im Volksmund als "Rio Phenole" bezeichnet, stand er beispielhaft für die Umweltsituation der Stadt und der geschundenen Region rings um Leipzig. Vor diesem Hintergrund gründeten Kirchenkreise bereits 1981 die ArbeitsgruppeArbeitsgruppeOrganisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder dessen Stellvertreter direkt... Umweltschutz (AGU) als eine der ersten Ökologiegruppen in der DDR, die mit den "Streiflichtern" auch ein Informationsblatt im Selbstverlag "Samisdat" herausgab. Über Auflagenhöhe, Adressatinnen und Adressaten war die Stasi ebenso informiert, wie über Kontakte der Gruppe in die Bundesrepublik und Aktivitäten dortiger Akteurinnen und Akteure. Die "Arbeitsergebnisse“ der eingesetzten inoffiziellen Mitarbeiter (IMInoffizieller MitarbeiterInoffizielle Mitarbeiter waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit...) waren aus Sicht der Staatssicherheit unbefriedigend.
Stasi-Mediathek: Auskunftsbericht zur kirchlichen Arbeitsgruppe Umweltschutz
Befasste sich die AGU anfangs noch mit Einzelproblemen des Umweltschutzes, brachte sie ab 1988 weitere gesellschaftliche Aspekte, wie Demokratiedefizite, zur Sprache, die das System grundlegend hinterfragten. Mit diesem Themenwechsel versuchte sie, die Öffentlichkeit zu mobilisieren. Ab 1988 untermauerten sie ihre Forderungen durch die Veröffentlichung von Eingaben und den darauf folgenden Reaktionen. Empfänger waren zum Beispiel das Ministerium für Umweltschutz und Wasserwirtschaft oder der Ministerrat der DDR. Dies zeigt etwa ein Beispiel vom Juni 1989.
Spätestens ab April 1988 setzte sich in der AGU die Einsicht durch, mit Eingaben allein nicht viel ausrichten zu können. Neben der Erstellung einer "Umweltsünderkartei" entstand im Zuge der Proteste Oppositioneller während der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration im Januar 1988 in Berlin die Idee eines Kommunikationszentrums. Dieses sollte eine stärkere Zusammenarbeit mit anderen Gruppen in der DDR ermöglichen.
Stasi-Mediathek: Bericht zum Trägerkreis für die Schaffung eines Kommunikationszentrums