Die Stasi-Akten zum Fall Guillaume
In den heute noch zur Verfügung stehenden Stasi-Akten schlägt sich die Tätigkeit Günter Guillaumes nur eingeschränkt nieder. Weil die HV A ihren gesamten Aktenbestand während der Auflösung des MfS 1989/90 vernichten durfte, sind die Überlieferungen dürftig. Vor allem die in den 90er Jahren von Archivaren des Stasi-Unterlagen-Archivs entschlüsselten Datenverarbeitungsprogramme der HV A, die SIRA-Teildatenbanken, geben zumindest einen Einblick in die Tätigkeit der Guillaumes.
Überliefert sind dort die beiden Decknamen "Hansen" (Günter Guillaume) und "Heinze" (Christel Guillaume) sowie ihr Erfassungsdatum bei der HV A: 9. September 1954 für "Hansen" und 30. Oktober 1958 für "Heinze". Auch die Anzahl der von ihnen gelieferten Informationen und deren Inhalt sind über diverse SIRA-Teildatenbanken zu finden. Insgesamt war der nachrichtendienstliche Wert von Guillaume für das MfSMinisterium für StaatssicherheitDas Ministerium für Staatssicherheit (umgangssprachlich oft kurz "Stasi") war politische... nicht herausragend, er war zweifellos keine Spitzenquelle. Vom 30. Juli 1969 bis 8. April 1974 übermittelte Guillaume in 23 Fällen SPD-Interna, in zwölf Informationen zu Fragen der Regierungspolitik und in neun zu Gewerkschaftsfragen.
Auswirkung der Affäre in West und Ost
Die Festnahme von Günter und Christel Guillaume wurde in der DDR offiziell als große Leistung zweier überzeugter Kommunisten gefeiert, die für die große Sache des Sozialismus lange Phasen ihres Lebens geopfert haben. Intern geriet das MfSMinisterium für StaatssicherheitDas Ministerium für Staatssicherheit (umgangssprachlich oft kurz "Stasi") war politische... gegenüber der Partei- und Staatsführung jedoch in Erklärungsnot und musste sich für den Fehlschlag und dessen Konsequenzen rechtfertigen. Im Dezember 1975 wurde Günter Guillaume zu 13, seine Frau Christel zu acht Jahren Haft wegen Landesverrats verurteilt. 1981 wurden sie vorzeitig entlassen und kehrten in die DDR zurück. Das MfS feierte sie mit einem zweistündigen Dokumentarfilm ("Auftrag erfüllt"). Günter Guillaume hielt über seinen Einsatz mehrfach Vorträge an der MfS-Schule, die im Stasi-Unterlagen-Archiv dokumentiert sind.
Den auf die Guillaume-Affäre folgende Rücktritt des Bundeskanzlers Willy Brandt hingegen dokumentierte die Stasi verhalten und ohne ein eigenes Schuldeingeständnis. Sie sammelte Informationen über die Stimmung in der DDR, denn Brandt genoss auch in der DDR-Bevölkerung hohes Ansehen. Dabei analysierte die Geheimpolizei, wie hoch der Anteil der Entdeckung des Kanzleramtsspions am Rücktritt Brandts war und kam zu dem durchaus zutreffenden Schluss: "Der Fall Guillaume war nur der äußere Anlaß zum Rücktritt Brandts von seiner Funktion als Bundeskanzler." Gleichwohl hatte die Stasi den Anlass für Brandts Sturz geliefert, nachdem sie ihm zwei Jahr zuvor sein Amt noch gerettet hatte: 1972 hatte die Stasi zwei Bundestagsabgeordnete bestochen, mit deren Stimmen Willy Brandt ein Misstrauensvotum der CDU/CSU überstand.
Jahre später beschrieb der letzte HV A-Chef Werner Großmann in seinen Memoiren den Effekt der Affäre beim Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker als "Guillaume-Syndrom". In seinem unbedingten Willen, der Bundesrepublik einen Staatsbesuch abzustatten, fürchtete Erich Honecker nichts mehr als einen zweiten Fall und bat daher Erich MielkeMielke, Erich28.12.1907 - 21.05.2000
weitere Spione im Kanzleramt abzuschalten (zitiert nach Herbstritt, "Bundesbürger im Dienst der DDR Spionage", S. 312). Guillaume starb am 10. April 1995 in Eggersdorf bei Berlin.