Gründe für eine Inhaftierung im "Roten Ochsen" konnten ein vermeintlicher Fluchtversuch aus der DDR, das Verteilen von Flugblättern, das Stellen von Ausreiseanträgen, ein Spionageverdacht oder eine bloße Denunziation sein. Wissenschaftler untersuchen derzeit den Haftalltag der politischen Gefangenen und stellten ihr Zwischenergebnis in Halle vor.
Den verfügbaren Karteien nach waren im "Roten Ochsen" in der Zeit von 1950 bis zum Ende der DDR 9.676 Inhaftierte registriert, darunter 8.071 Männer und 1.605 Frauen. Hundert dieser Häftlingsbiografien werden derzeit genauer untersucht, dazu dienen Stasi- und Justizakten sowie ausführliche Zeitzeugengespräche. 271 Stunden Interviewmaterial liegen bereits vor.
Eine erste Auswertung präsentierte am 11. April 2013 Justus Vesting im Stadtmuseum Halle. Er ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Bibelwissenschaften und Kirchengeschichte der Martin-Luther-Universität Halle und war zuvor als Freier Mitarbeiter bei der Gedenkstätte "Roter Ochse" tätig. Vesting gab einen Einblick in die laufenden Befragungen, an denen außerdem der Leiter der Gedenkstätte "Roter Ochse", Dr. André Gursky, und Edda Ahrberg beteiligt sind.
Veranstalter waren das Stasi-Unterlagen-Archiv Halle und die neue Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen in Sachsen-Anhalt, Birgit Neumann-Becker.
Der Zeitzeuge aus dem "Roten Ochsen" schildert allerdings auch eine andere Begebenheit:
"…Da hatten wir ein Buch, der brave Soldat Schwejk, und das ist ja eigentlich ein lustiges Buch. Und dann lagen wir alle zweie auf dem Bett und haben zusammen in dem Buch gelesen und haben uns ausgeschüttet vor Lachen. [Und dann] ging natürlich auch die Tür auf und dann stand aber ein anderer [Wärter] drinnen, der gesagt hat, sie haben jetzt 20 Minuten hier gelacht, wenn sie nicht aufhören kommen sie runter in die Dunkelzelle. Na dann hören Sie aber auf zu lachen. Wir haben dann erstmal nur noch in die Kissen geprustet, weil aber dann war es dann wieder, also es gab solche und solche da drinnen."
Nachgezeichnet werden zunächst die Inhaftierungsgründe. In der Regel wurde inhaftiert, wer aufgrund seines Engagements der SED oder Stasi ein Dorn im Auge war. Die Erlebnisse im Gefängnis waren für einige der Befragten so nachhaltig, dass sie sich bis heute immer noch nicht in die Nähe des "Roten Ochsen" wagen. Auch über das Erlebte zu reden, fällt vielen schwer. Sie litten unter Willkür und totaler Isolation, Desorientierung und Anonymisierung. Gefangene trugen keinen Namen mehr, nur noch eine Nummer, um sie zu demütigen und ihrer Individualität zu berauben.