Direkt zum Seiteninhalt springen
Menschenschlange von Frauen und Kindern, zum Teil mit Weidenkörben

Anstehen nach Brot während des Krieges 1914 – 1918, Quelle: BArch, Bild 183-R00012

Ernährung im Ersten Weltkrieg

Eigentlich sollte der Krieg nur wenige Monate dauern. Die Verantwortlichen in Wirtschaft und Verwaltung machten sich daher keine Sorgen über die Versorgung der Bevölkerung. Allerdings wurde zum Jahresende 1914 deutlich, dass der Frieden noch einige Zeit auf sich warten lassen würde. Die von den Entente-Staaten durchgesetzte Seeblockade führte zu einer spürbaren Verschlechterung der Lebensmittelversorgung in Deutschland, sodass 1915 auf der Grundlage des Gesetzes über die Ermächtigung des Bundesrates zu wirtschaftlichen Maßnahmen vom 4. August 1915 per Bundesratsverordnungen Rationierung und Zwangsbewirtschaftung von Nahrungsmitteln eingeführt wurden. So unter-sagte z.B. die Verordnung zur Einschränkung des Fleischverbrauchs vom 28. Oktober 1915 die Ausgabe von Fleisch und Fleischwaren und den daraus gefertigten Speisen an bestimmten Wochentagen.

  • Bekanntmachung zur Einschränkung des Fleisch- und Fettverbrauchs, 1915, Seite 1

  • Bekanntmachung zur Einschränkung des Fleisch- und Fettverbrauchs, 1915, Seite 2

  • Zeitungsmeldung zu fleischlosen Tagen, 1916

„Dienstags und Freitags dürfen Fleisch, Fleischwaren und Speisen, die ganz oder teilweise aus Fleisch bestehen, nicht gewerbsmäßig an den Verbraucher abgegeben werden. Dies gilt nicht für die Lieferung unmittelbar an die Heeresverwaltung und an die Marineverwaltung.“

Bekanntmachung zur Einschränkung des Fleisch- und Fettverbrauchs
(§ 1)

Auch in Hotels war die Verabreichung von Brot mit Fleisch- oder Wurstbelag an fleischlosen Tagen nach der Bekanntmachung zur Einschränkung des Fleisch- und Fettverbrauchs vom 28. Oktober 1915 nicht gestattet.

Ausschnitt aus der deutschen Tageszeitung vom 28. Mai 1916 zu fleischlosen Tagen in Pommern
Ausschnitt aus der deutschen Tageszeitung vom 28. Mai 1916 zu fleischlosen Tagen in PommernQuelle: BArch, R 3601/472

„Nach einer Verfügung des stellvertretenden Kommandierenden Generals des 2. Armeekorps (in Stettin) darf an Angestellte, Arbeiter, Kostgänger und Dienstboten [...], Dienstags und Freitags kein Fleisch [...] gegeben werden.“

Ausschnitt aus der deutschen Tageszeitung vom 28. Mai 1916

Das geringer werdende Angebot an Nahrungsmitteln erforderte zusätzliche Maßnahmen, die einer einigermaßen geregelten Verteilung der vorhandenen Lebensmittel gerecht werden sollten. 

  • Ministerielle Mahnung für Erzeuger und Verbraucher in der Kriegswirtschaft, 1916

„Ist es für den Verbraucher Pflicht, sich mit den Kriegspreisen zufrieden zu geben, so ist für den Landwirt die Erzeugung von Lebensmitteln Kriegsdienst und Kriegspflicht.“

aus „Eine ministerielle Mahnung"

Bereits wenige Wochen nach Kriegseintritt setzte die Regierung, um der Preistreiberei zu begegnen, Höchstpreise für Mehl und Getreide fest. In Etappen folgten weitere Preisregelungen sowie die Festlegung von Verbrauchsquoten durch die Einführung von Bezugsscheinen, als erstes für Brot und Mehl im April 1915. Weitere Nahrungsmittelkarten folgten:

  • Zuckerkarte
  • Fettkarte
  • Milchkarte
  • Fleischkarte.

Mit dem Kartensystem erhoffte man sich eine Beschränkung des Verbrauches und eine gerechte Verteilung der vorhandenen Lebensmittel.

  • Nahrungsmittelkarten in Berlin-Charlottenburg, 1916

  • Die einheitliche Fleischkarte (Berliner Volkszeitung, Jahrgang 1916)

Die sich verschärfende Mangellage auf dem Nahrungsmittelmarkt erzwang schließlich den lange schon geforderten radikalen Bruch mit den hergebrachten Ernährungsgewohnheiten. Mit regelmäßigen Mitteilungen aus dem Kriegsernährungsamt wurde die Bevölkerung ideologisch darauf eingestimmt. Die Vorteile der „Mangelernährung” wurden dargestellt und an Opferbereitschaft und Kriegspflicht des Einzelnen appelliert.

  • Mitteilung aus dem Kriegsernährungsamt zur Kriegskost, 1916

„Die Volksernährung im Kriege soll einfach, aber nahrhaft und gesund sein.“

Unsere Kriegskost
Mitteilungen aus dem Kriegsernährungsamt, Nr. 226

Die Bevölkerung wurde aufgefordert, den Hausstand in den Kriegszustand zu versetzen. Neben der Sparsamkeit im Brotverbrauch, galt es auch tierische Nahrungsmittel wie Fleisch, Fett, Butter, Eier und Milch einzuschränken.

Die Grundnahrungsmittel Brot, Mehl, Kartoffeln, Milch, Eier standen nicht mehr für alle Bevölkerungsteile in ausreichendem Maße zur Verfügung. Daher versuchten die staatlichen Stellen das Volk moralisch durch amtliche Rezepturen, Ernährungs- und Verbrauchertipps aufzurüsten.

  • Krieg und Küche. Aufruf zur Sparsamkeit und zum klugen Umgang mit Lebensmittel, 1914/1918

  • Kriegsbrotrezept mit Kartoffeln, 1915

  • Die praktische Tante. Ratschläge für alle Gebiete des Haushalts, 1916

Der „Hungerwinter” 1916/17 kam unerwartet. Die Steckrübe, eine Kohlart, wurde für breite Kreise der Bevölkerung wichtigstes Nahrungsmittel. Man ernährte sich von Steckrübensuppe, Steckrübenauflauf, Steckrübenkoteletts, Steckrübenpudding, Steckrübenmarmelade und Steckrübenbrot. Selbst Gebäck ließ sich aus Steckrüben herstellen.

Sogar für Kaffee, dessen Lieferungen längst von der englischen Blockade gestoppt worden waren, gab es Rezepte:

Steckrüben raspeln und im Ofen trocknen. Die getrockneten Rübenschnitzel durch eine Kaffeemühle drehen. Wie normales Kaffeemehl behandeln.

Oder man „gönnte” sich den Gesundheitskaffee.

  • Kohlrüben statt Kartoffeln, 1917

  • Ersatzlebensmittel - Koffeinfreier Kaffee-Ersatz, 1915

Drei kriegsgemäße Abendmahlzeiten für Gäste, die bei der Obst- und Gemüseausstellung für Stadt und Land zur Schau gelangten und den 1. Platz erzielten.

  • Drei kriegsgemäße Abendmahlzeiten für Gäste, 1916, Seite 1

  • Drei kriegsgemäße Abendmahlzeiten für Gäste, 1916, Seite 2

Der Kriegsausschuß für Öle und Fette empfahl zur Vermehrung der Ölfruchternten das Sammeln von Obstkernen, Bucheckern und anderen öl- und fetthaltigen Früchten. Auf Plakaten in Bahnhöfen, Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden wurde für eine verstärkte Sammeltätigkeit geworben und die deutsche Jugend an ihre patriotischen Pflichten erinnert.

  • Aufruf zur Sammlung von Obstkernen  für die Ölgewinnung, 1915/1918

„1. Es sollen nur Kerne von Kirschen, Pflaumen und Zwetschgen, Mirabellen, Reineclauden und Aprikosen gesammelt werden. Pfirsichkerne sind für die Oelgewinnung wertlos.

  2. Die Kerne sollen von reifem Obst stammen. [...]

  3. Auch Kerne von gekochtem und gedörrtem Obst können verwendet werden.“

aus „Merkblatt zur Sammlung und Aufbewahrung von Obskernen für die Ölgewinnung“

  • Merkblatt zur Sammlung und Aufbewahrung von Obskernen für die Ölgewinnung, 1917, Seite 1

  • Merkblatt zur Sammlung und Aufbewahrung von Obskernen für die Ölgewinnung, 1917, Seite 2

Der „Kriegszustand” im Hausstand erforderte auch besondere Kochtechniken. So wurde neben dem sparsamen Umgang mit Nahrungsmitteln, der Bekanntgabe zahlreicher Koch- und Backtipps und der Verbreitung neuer, dem Krieg angepasster Kochrezepte und Kochbücher u.a. die Sparsamkeit mit Energie mittels der Kochkiste empfohlen.

  • Die Kochkiste und ihre Verwendung, 1917

Weitere Informationen

  • Werbung für die neunte Kriegsanleihe, 1918
    Themenbeitrag

    Kriegsfinanzierung über Kriegsanleihen

    Die Kriegsfinanzierung durch Kriegsanleihen war für Deutschland während des Ersten Weltkriegs die Grundlage für die Aufrechterhaltung der finanziellen Kriegsbereitschaft (siehe dazu mit weiterführenden Hinweisen den Quellenkomplex Kriegsfinanzierung). Neben den eigentlichen Zeichnungsaufrufen ...

  • Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, Kaiser Wilhelm II. und General der Infanterie Erich Ludendorff am Kartentisch im Großen Hauptquartier, 1917
    Themenbeitrag

    Das Große Hauptquartier S.M. des Kaisers und Königs

    Bereits im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 gab es auf deutscher Seite das „Große Hauptquartier“ des Königs von Preußen als Oberstem Befehlshaber der verbündeten deutschen Armeen. Charakteristisch an diesem Großen Hauptquartier waren die dort versammelten deutschen Fürsten als ...

  • L. 41 und 44 (am 20. Oktober 1917 abgeschossen), 1917/1918
    Themenbeitrag

    Luftschiffe im Ersten Weltkrieg

    „Engeland wird abgebrannt!“

  • Besuch Kaiser Wilhelms II. in Fermes an der Westfront, im Hauptquartier des XVIII. Reservekorps, 1915
    Themenbeitrag

    Die deutschen Heeresgruppen im Ersten Weltkrieg

    Die Darstellung folgt im wesentlichen Hermann Cron, Geschichte des Deutschen Heeres im Weltkriege 1914-1918, Berlin 1937. Wie schon in Friedenszeiten wurden zunächst auch im Ersten Weltkrieg die einzelnen Armeen zentral geführt, im Krieg durch die Oberste Heeresleitung (OHL). Eine mehrere Armeen ...

  • Gruppenbild des Militärstabs von Admiral von Schröder in Flandern
    Themenbeitrag

    Das Marinekorps in Flandern

    Das Marinekorps Flandern ging aus der Mobilen Marine-Division hervor, die am 29.8.1914 durch Allerhöchste Kabinettsordre gegründet wurde. Die Formation, die der Heeresleitung unterstand, sollte Teile des mobilen Feldheeres ablösen, die Belgien besetzt hielten. Das Divisionskommando übernahm ...

  • Blick auf den Trauerzug in Triest, 1914
    Themenbeitrag

    Deutsche Politik nach dem Attentat von Sarajevo

    Am 28. Juni 1914 wurden der österreichisch-ungarische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und seine Frau Sophie bei einem Besuch der bosnischen Hauptstadt Sarajevo von einem neunzehnjährigen Studenten erschossen. Mit dem Attentat wollten die von Russland unterstützten serbischen Panslawisten ...