Die Benutzung und Ausnutzung junger Menschen für die Ziele der geheimpolizeilichen Arbeit ist besonders menschenverachtend. Für die Stasi war es immer wieder eine Option, um beispielsweise an spezifische Informationen im Umfeld der jungen Menschen zu gelangen. Aber es war auch eine Strategie, neue Mitarbeiter mit einer langfristigen Perspektive zu einem Zeitpunkt zu werben, zu dem sie besonders zu beeindrucken waren, so zum Beispiel im Umfeld der regulären Einberufung in die Nationale Volksarmee. Immer wieder nutzte die Stasi dabei schwierige familiäre Verhältnisse aus, um sich der Loyalität der neuen, minderjährigen Mitarbeiter zu versichern.
Die Bildungsmaterialien des Stasi-Unterlagen-Archivs stellen einen solchen Fall exemplarisch dar, den Fall IMInoffizieller MitarbeiterInoffizielle Mitarbeiter waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit... "Shenja", die sich als 17-jährige im Jahr 1981 verpflichtet, inoffiziell für das MfSMinisterium für StaatssicherheitDas Ministerium für Staatssicherheit (umgangssprachlich oft kurz "Stasi") war politische... zu arbeiten. Ihr Leben hatte sie vom 9. Lebensjahr an im Kinderheim verbracht, da die staatlichen Einrichtungen der Mutter das Sorgerecht entzogen hatten. Sie galt als "Feindin", war aus politischen Gründen 1974 inhaftiert und schließlich 1975 in den Westen "entlassen" worden – ohne ihre Tochter und den gerade erst geborenen Sohn.
Die ausgewählten Unterlagen zu IM Shenja zeigen, wie stark die Stasi immer auch verwoben war mit den sonstigen Einrichtungen des SED-Staates, wie stark zum Beispiel die Lehrer die Ziele des MfS unterstützten. Sie alle wirkten mit an der Erziehung des jungen Mädchens zu einer "sozialistischen Persönlichkeit", die für den Staat spitzelte. Die Dokumente zeigen eine inoffizielle Karriere in Schule und an der Universität, die schließlich 1987 endete. Für den Schulunterricht wurden Übungsbögen und Erklärungen entwickelt.