Oskar Schindler, ein Geschäftsmann in Krakau
Die Besetzung Krakaus führte zur Verdrängung jüdischer Menschen aus dem Wirtschaftsleben. Die Nationalsozialisten sperrten Geldkonten, beschlagnahmten die Betriebe jüdischer Unternehmer und vertrieben deren Besitzer. Unternehmen und Immobilien, die in die Hände der deutschen Besatzer fielen, überführten sie in eine Treuhandgesellschaft, die die Verwaltung der Unternehmen bevorzugt an „Reichsdeutsche“ und „Volksdeutsche“ übergab.
Die Aussicht auf lukrative Geschäfte durch die Ausbeutung des besetzten Landes und seiner Bevölkerung, insbesondere der jüdischen, machten Krakau zu einem bevorzugten Ziel deutscher Unternehmer, die auf schnelle Gewinne hofften. Einer dieser Unternehmer war der am 28. April 1908 in Zwittau in Mähren (dem heutigen tschechischen Svitavy) geborene Deutschmährer Oskar Schindler.
Im Oktober 1939 pachtete Schindler in Zabłocie bei Krakau eine Press- und Emaillierfabrik, die ehemals einem jüdischen Unternehmer gehört hatte. Durch die Produktion von Geschirr für die Wehrmacht, für die Schindler Polen als billige Arbeitskräfte beschäftigte, wuchs das Unternehmen und expandierte. Als Schindler die Firma übernahm, waren dort 45 Mitarbeitende beschäftigt, ein Jahr später waren es bereits 400, davon 150 Jüdinnen und Juden. Schindlers Plan, nach dem Überfall der Wehrmacht auf Polen nach Krakau zu kommen, um hier profitable Geschäfte machen zu können, wurde Realität. Oskar Schindler war jedoch nicht nur Profiteur des Kriegs und der Besetzung Polens, sondern in den 1930er Jahren auch überzeugter Nationalsozialist. Ab 1935 war er als Agent für das Amt Ausland/Abwehr, den militärischen Nachrichtendienst unter Leitung Wilhelm Canaris‘, tätig. Im Zuge dieser Tätigkeit wurde er Juli 1938 von tschechischen Sicherheitskräften verhaftet. Nur die Besetzung des Sudetenlandes durch die Wehrmacht verhinderte die Vollstreckung des Todesurteils, das gegen ihn gefällt wurde. Mit Annexion der Tschechoslowakei trat Schindler in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) ein. Im Zuge der Verschärfung der Maßnahmen der Nazis gegen die jüdische Bevölkerung entwickelte Schindler jedoch eine zunehmende Abscheu gegen deren Politik.
Liste der „Schindlerjuden“ – Verlagerung der Produktion nach Brünnlitz
1944 wurde das Lager Płaszów aufgelöst. Grund war das Vorrücken der sowjetischen Armee. Die rund 20.000 jüdischen Häftlinge des Lagers wurden in Vernichtungslager deportiert. Auch die Schindlers mussten ihre Fabrik schließen. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits über 1.000 jüdische Arbeiterinnen und Arbeiter in ihrer Fabrik eingesetzt. Statt diese zurückzulassen, erhielt Oskar Schindler jedoch infolge zäher Verhandlungen die Genehmigung, mitsamt der Belegschaft in Brünnlitz im Sudetenland, nahe der Heimat Oskar Schindlers, mit der Produktion fortzufahren. Ein solcher Umzug war nicht ohne Weiteres möglich, genehmigt werden musste er beim SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt in Berlin. Dafür war es notwendig, dass Schindler die Produktion von einer kriegswichtigen auf eine „siegentscheidende Produktion“ umstellte. Schindler erlangte die Genehmigung und überdies gelang es ihm sogar, weitere Häftlinge des Lagers Płaszów, ab Anfang des Jahres 1944 nicht mehr Arbeits-, sondern Konzentrationslager, auf die Listen seiner Arbeiter zu schreiben. Jene Transportlisten waren es, die 1993 namensgebend für den Film waren, mit dem Steven Spielberg Oskar Schindler ein cineastisches Denkmal setzte: „Schindlers Liste“.
Die fast 800 Männer, die auf den Listen standen, kamen zur Registrierung in das KZ Groß-Rosen, dem die neue Fabrik als Außenlager administrativ angeschlossen war. Die fast 300 Frauen hingegen wurden, da zu diesem Zeitpunkt im KZ Groß-Rosen kein Frauenlager existierte, nach Auschwitz transportiert. Schindler setzte sich zusammen mit seiner Frau über Wochen hinweg persönlich für die Freilassung ein, letztlich trotz aller Widerstände mit Erfolg. Obwohl offiziell Außenlager des KZ Groß-Rosen, war Schindler nicht nur für den Aufbau der Fabrik und der dazugehörigen Wachanlagen sowie die Unterbringung der Arbeiter verantwortlich, sondern auch für die Unterbringung und Verpflegung der SS-Wachen. Finanziell war die Fabrik damit alles andere als profitabel. Trotzdem setzten sich Oskar und Emilie Schindler weiter für die jüdischen Verfolgten ein, beschäftigten sie sogar, obwohl es für sie in der Fabrik keine Arbeit gab. Ein Beispiel dafür war die Rettung der „Golleschauer Juden“. Diese aus einem Außenlager des KZ Auschwitz stammende Gruppe jüdischer Zwangsarbeiter irrte Ende Januar 1945 in Viehwaggons umher, da eine Firma, die den Transport zuvor angefordert hatte, ihn nun ablehnte. Nach einer Irrfahrt schließlich waren es die Schindlers, die die völlig entkräftigen KZ-Häftlinge aufnahmen und pflegten und die Toten nach jüdischem Ritus bestatteten.
Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg – Oskar Schindler zwischen wirtschaftlichen Fehlschlägen und gesellschaftlicher Anerkennung
Oskar Schindler floh am 9. Mai 1945 vor den sowjetischen Truppen aus Brünnlitz. Auf der Flucht verlor er nach eigenen Angaben seinen Besitz und gelangte, nunmehr mittellos, zunächst nach Konstanz, ab Herbst 1945 nach Regensburg. Als Mitglied der NSDAP erwartete ihn ein Entnazifizierungsverfahren. Zur Entlastung sammelte er die Berichte von durch ihn geretteten Juden. Das Verfahren gegen ihn wurde am 31. Oktober 1947 eingestellt, er galt damit als nicht belastet.
In den 1950er-Jahren trennten sich Schindler und seine Ehefrau Emilie, zu einer Scheidung kam es nicht. Der Versuch, landwirtschaftlich in Argentinien erfolgreich zu sein, scheiterte. 1957 kehrte Oskar Schindler mit Unterstützung durch Joint nach Deutschland zurück, wo er nach Frankfurt am Main zog. Emilie Schindler blieb in Argentinien. Wieder in Deutschland bemühte Schindler sich weiterhin, finanzielle Entschädigung vom Lastenausgleichsamt zu erhalten. Seinen Bemühungen verlieh unter anderem Ernst Katzenstein, Direktor der Jewish Claims Conference, Nachdruck, der sich brieflich an das Bundesvertriebenenministerium wandte. Mit Erfolg: Das nun zuständige Ausgleichsamt der Stadt Frankfurt nahm sich des Antrags an. Grund für die schnelle Bearbeitung war nicht zuletzt, dass sich „für die Schadensfeststellung des Vertreibungsschadens Schindler allerhöchste Dienststellen eingeschaltet haben“. Dazu gehörten unter anderem der Präsident des Bundesausgleichsamtes und das Bundespräsidialamt.
1958 wurde Oskar Schindler vom Lastenausgleichsamt der Stadt Frankfurt am Main ein Aufbaudarlehen in Höhe von 50.000 DM gewährt – er hatte auf mehr gehofft. Das Geld verwendete er zur Übernahme eines Beton- und Kunststeinwerkes im oberfränkischen Hochstadt am Main.
Nutzung der Unterlagen
Mit der Mikrofilm-Kopie und den Reprografien von 1999 ist der Nachlass Oskar Schindlers auch im Bundesarchiv gesichert worden. Die Nutzung der Dokumente und Bilder erfolgt über die Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem, wo der Nachlass im Original und als Digitalisat vorliegt (Signatur P. 41). Damit wurden die Dokumente langfristig gesichert und dem Wunsch Oskar Schindlers entsprechend die Möglichkeit geschaffen, sie der Forschung und Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Digitalisate der Original-Durchschläge von „Schindlers Liste“ sind zusätzlich hier online im Bundesarchiv einsehbar: