Der Leiter der MfS-Bezirksverwaltung Suhl, Oberst Heinz PommerPommer, Heinz24.03.1929 - 24.11.2004
, ließ in Suhl und in Hildburghausen umgehend sogenannte Fahndungsführungspunkte einrichten, die die Suche nach Weinhold koordinieren sollten. Laut Anweisung bestand für alle Mitarbeiter der MfS-Bezirksverwaltung Suhl Alarmbereitschaft. Ferner unterstützten dutzende Mitarbeiter die Fahndungsmaßnahmen der MfS-Kreisdienststelle Hildburghausen vor Ort. Wie in Stasi-Unterlagen niedergeschrieben, beteiligten sich auch mehr als 70 Inoffizielle Mitarbeiter (IM) an der Suche nach Weinhold. Mehrere Zeugen meldeten sich in den kommenden Stunden: So stellten zwei Männer am 16. Dezember 1975 gegen 11:00 Uhr eine Person fest, die sich aus Richtung Goßmannsrod in Richtung Veilsdorf bewegte, eine NVA-Winterdienstuniform trug und einen Gegenstand mit sich führte, der einer Kalaschnikow-Maschinenpistole ähnelte. Am gleichen Tag gegen 13:00 Uhr hielt sich ein Unbekannter für wenige Minuten in einer Gaststätte in Bockstadt auf und kaufte zwei Bockwürste. In Bockstadt meldete sich auch ein Hausbesitzer, der angab, dass sich eine Person Zutritt zu seinem Eigenheim verschafft und im Keller an Vorratsgläsern und Rotwein bedient hatte. Am 17. Dezember gegen 5:30 Uhr stellte ein Postenpaar der Grenztruppen, circa 300 Meter von der Grenzkompanie Steudach entfernt, Geräusche und Schritte im Wald fest. Als sich diese bis auf 50 Meter näherten, verursachte einer der Grenzer ein Geräusch, worauf sich ein Unbekannter in schneller Schrittfolge entfernte.
In der Nacht des 19. Dezember 1975 gegen 2.15 Uhr hörten mehrere Grenzer einen langen Feuerstoß im Raum Veilsdorf. Als der zuständige Zugführer daraufhin den Doppelposten Klaus-Peter Seidel und Jürgen Lange überprüfte, fand er beide Männer mit Schusswunden und ohne Bewusstsein auf. Werner Weinhold war die Flucht in die Bundesrepublik gelungen. Das MfSMinisterium für StaatssicherheitDas Ministerium für Staatssicherheit (umgangssprachlich oft kurz "Stasi") war politische... untersuchte den Tatort akribisch. Die zu Tode gekommen Grenzer wurden in die Gerichtsmedizin in Jena gebracht, ihre Ausrüstungsgegenstände, Uniformen, Waffen sowie die Projektile und Patronenhülsen im Kriminaltechnischen Institut des Ministeriums des Innern und in der Technischen Untersuchungsstelle des MfS begutachtet. Als Ergebnis stand fest: Weinhold hatte sich bis auf wenige Meter dem Postenpaar genähert und das Feuer eröffnet. Er traf Klaus-Peter Seidel sitzend oder im Aufstehen begriffen mit sieben Kugeln in Brustkorb und Beine. Jürgen Lange trafen vier Geschosse in Rücken und Arme. Aus den Waffen der beiden Grenzer war gemäß Stasi-Unterlagen kein einziger Schuss abgegeben worden.
Die Polizei nahm Weinhold am 21. Dezember 1975 in Recklinghausen in Nordrhein-Westfalen fest. Am gleichen Tag stellte die Generalstaatsanwaltschaft der DDR ein Auslieferungsersuchen an die Bundesrepublik. Dieses wurde abgelehnt, weil Weinhold in der DDR die Todesstrafe drohte. Etwa ein Jahr später kam es zum Prozess vor dem Landgericht Essen. Dieses sprach Werner Weinhold frei, denn die Kammer hielt es für möglich, dass Weinhold zuerst beschossen worden war und folglich in Notwehr handelte. Auch konnte damals nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden, dass durch die DDR-Behörden Manipulationen an Munition und Waffen vorgenommen worden waren. Ost-Berlin reagierte scharf auf die Entscheidung und sprach von einem "Schandurteil". Der Bundesgerichtshof hob 1977 das Urteil auf und verwies an das Landgericht Hagen, wo eine neue Beurteilung des Falles vorgenommen werden sollte. Weinhold wurde schließlich im Oktober 1978 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Weinhold verbüßte zwei Drittel und kam 1982 vorzeitig frei.
Die DDR-Staats- und Parteiführung sann auf Rache. Wenn man Weinhold nicht in der DDR habhaft werden und bestrafen konnte, so sollte ihn der Zorn Ost-Berlins in der Bundesrepublik treffen. Das MfSMinisterium für StaatssicherheitDas Ministerium für Staatssicherheit (umgangssprachlich oft kurz "Stasi") war politische... eröffnete den Operativen Vorgang "Terrorist". Es war geplant, Weinhold in seiner neuen Heimat, im nordrhein-westfälischen Marl, zu ermorden. Das geheimdienstliche Repertoire sah vor: entweder Entführen und Vortäuschen eines Suizids an einer Gleisanlage, Erschießen mit einer schallgedämpften Handfeuerwaffe oder Vortäuschen eines Raubüberfalls mit Todesfolge. Die Mordpläne wurden nie in die Tat umgesetzt.
Die Auswirkungen von Weinholds spektakulärer Flucht für den Grenzdienst waren auch danach zu spüren: Im Jahre 1976 versuchte ein Zivilist an derselben Stelle, an der Werner Weinhold ein Jahr zuvor bei seinem gewaltsamen Durchbruch in die Bundesrepublik zwei DDR-Grenzsoldaten getötet hatte, in den Westen zu fliehen. Im Abschlussbericht des Operativen Vorgangs "Feigling" wurde berichtet, dass die beiden zu der Zeit wachhabenden Grenzposten "nicht bereit waren zur Anwendung der Schusswaffe und andererseits zugleich Angst vor einer möglichen Anwendung der Schusswaffe durch den Grenzverletzer hatten. Sich an den Verbrecher Weinhold erinnernd blieben sie direkt in gedeckter Stellung, um nicht mit dem Grenzverletzer konfrontiert zu werden (BStU, MfS, AOP 5391/77, Bl. 98)." Das Militärgericht in Erfurt verurteilte die beiden Grenzsoldaten zu 9 bzw. 14 Monate Freiheitsstrafe.