Am 20. Juli 1979 fand ein Jäger im Grenzgebiet des DDR-Kreises Lobenstein einen Heißluftballon. Er meldete seinen Fund sofort den Behörden. Schnell wurde klar, dass hier jemand versucht hatte, die Republik unerlaubt in Richtung Westen zu verlassen. Die Stasi war sofort alarmiert und begann zu ermitteln.
Anfangs ging man davon aus, dass der Ballon erst nur einige Tage im Wald gelegen hatte. Bei der BefragungBefragungStrafprozessrechtlich zulässige Möglichkeit der offiziellen Kontaktaufnahme mit Verdächtigen,... von Zeugen stellte sich jedoch heraus, dass der Ballon bereits am 3. Juli gesehen worden war. Auch die Grenztruppen hatten den Feuerschein am Himmel gesehen, der Beobachtung jedoch keine Bedeutung beigemessen.
In jener Nacht hatte Peter Strelzyk aus dem thüringischen Pößneck mit seiner Frau und den beiden Söhnen versucht, die Grenze zu Bayern von Norden in Richtung Süden zu überwinden. Das Fluggerät, das Strelzyk gemeinsam mit seinem Bekannten Günter Wetzel konstruiert und gebaut hatte, war jedoch zu früh gesunken und noch vor der Grenze, auf dem Gebiet der DDR, wieder gelandet. Wetzel, der ebenfalls mit seiner Frau und den gemeinsamen Kindern die DDR verlassen wollte, war vor dem Fluchtversuch aus der Sache ausgestiegen. Der Ballon, schon die zweite gemeinsame Konstruktion, war zu klein geraten und hätte die beiden Familien nicht tragen können. Nun, nach dem gescheiterten Fluchtversuch, entschlossen sich Strelzyk und Wetzel, einen dritten Ballon zu konstruieren – diesmal einen, der groß genug war, um acht Personen sicher in den Westen zu tragen.
Die Stasi versuchte inzwischen, aufgrund der an der Landestelle des zurückgelassenen Ballons gefundenen Hinweise, die Konstrukteure zu ermitteln. Erster Ansatzpunkt: Die Ballonhülle. Sie war aus über 1.000 Quadratmetern Taftstoff gefertigt. Die Beschaffung einer solchen Menge hätte beim Kauf auffallen müssen, so die Hoffnung der Stasi. Peter Strelzyk und Günther Wetzel hatten den Stoff jedoch in Leipzig in einem großen Warenhaus gekauft, wo sie damit nicht weiter in Erinnerung geblieben waren. Auch am Landeplatz zurückgelassene Medikamente für eine Schilddrüsenerkrankung brachten keine Erkenntnisse. Allein 800.000 Rezepte wurden im Bezirk Gera geprüft – ohne eine heiße Spur zu ergeben.
Mitte August ging die Stasi mit einer Fahndung an die Öffentlichkeit: Sie ließ in der Zeitung "Volkswacht" die am Landeplatz zurückgelassenen Gegenstände - ein Barometer, ein Taschenmesser und eine Wasserpumpenzange – abbilden und bat um zweckdienliche Hinweise. Doch auch dies blieb ohne Ergebnis. Es waren Alltagsgegenstände ohne besondere Merkmale.
In der Zwischenzeit nähten und bauten die Familien Strelzyk und Wetzel einen neuen, größeren Ballon aus über 1.200 Quadratmetern Stoff. Auch diesmal fielen sie nicht weiter mit dem Kauf der Stoffe auf. Für den dritten Ballon besorgten die Familien Strelzyk und Wenzel das Material in vielen kleinen Posten. Außerdem mussten sie zum Teil weite Wege in Kauf nehmen, um an die schwer erhältlichen Stoffe Regenschirmseide und Zeltnylon zu gelangen, die für den neuen Ballon vorgesehen waren. Die vielen Käufe, verteilt über eine größere Region, waren trotz der laufenden Ermittlung der Stasi zu unauffällig.
Am 16. September 1979 war der Ballon fertig und die Familien flogen mit ihm in die Freiheit. Nach 28 Minuten und 18 Kilometern, bei einer maximalen Höhe von 2.000 Metern, landeten sie gegen 3 Uhr im bayerischen Grenzort Naila. Mit ihrem selbstgebauten Ballon gelang den beiden Familien wohl eine der spektakulärsten Fluchten aus der DDR.

