Die Sicht der DDR auf die NS-Zeit
Die DDR bezeichnete sich in ihrer Verfassung als antifaschistischen Staat und nahm für sich in Anspruch, im Gegensatz zur damaligen Bundesrepublik mit sämtlichen Kontinuitäten der NS-Zeit gebrochen zu haben. Dabei schob die SED auch die historische Verantwortung für die Verbrechen des NS-Regimes dem Westen zu. Nach ihrer Lesart war die Mehrzahl der moralisch und strafrechtlich für die NS-Verbrechen Verantwortlichen in den Westen geflüchtet. Generell galt die Aufarbeitung der NS-Diktatur in der DDR schon mit der "antifaschistisch-demokratischen Umwälzung", wie die Errichtung des sozialistischen Staates genannt wurde, und den damit einhergehenden radikalen gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen als abgeschlossen.
Die Vergangenheitsbewältigung der Bundesrepublik entsprach in einem gewissen Grade tatsächlich dem von der DDR-Propaganda vermittelten Klischee. Tatsächlich tat sich die BRD schwer mit einer konsequenten Verfolgung der NS-Täter. Gleichzeitig gelangten hier Personen, die sich später als belastete ehemalige Funktionsträger des NS-Staates entpuppten, in den öffentlichen Dienst, insbesondere auch bei den Nachrichtendiensten, der Polizei und der Justiz. Damit lieferte West-Deutschland quasi einen "Beleg" für die ostdeutschen Behauptungen. Dies bot ein ideales Angriffsziel für die Ende der Fünfzigerjahre einsetzenden "antifaschistischen Kampagnen" der DDR. Hinzu kamen vermeintliche oder tatsächliche Skandale im Umgang mit der NS-Zeit sowie die schleppende und oft unbefriedigende Ahndung der NS-Gewaltkriminalität in der Frühzeit der Bundesrepublik.
