Udo Lindenberg und der "Sonderzug"
Am 2. Februar 1983 hatte Udo Lindenberg das Lied vom "Sonderzug nach Pankow" veröffentlicht. Darin malt er sich aus, mit dem Zug von West- nach Ost-Berlin zu fahren und in der DDR aufzutreten. Ein Traum, der in der "Frontstadt" des Kalten Krieges nicht nur auf Begeisterung stieß. Das Lied wurde in der DDR quasi verboten. Wer es öffentlich abspielte, musste mit einer Geldstrafe rechnen. Die Stasi analysierte den ironischen Text sogleich in einer "rechtlichen Einschätzung".
Auftritt des "verbotenen" Rockers
Die nach dem NATO-Doppelbeschluss in westeuropäischen Ländern entstandene Friedensbewegung war 1983 auf einem Höhepunkt. Die DDR-Führung versuchte, sie ideologisch für die "Friedensbotschaft" des Ostblocks zu vereinnahmen. Dabei ging es auch darum, führende Köpfe der westlichen Friedensbewegung im Osten sprechen zu lassen oder Künstler, die sich für den Frieden engagierten, zu präsentieren.
Für das für den 25. Oktober 1983 geplante Friedensfest der SED-Jugendorganisation FDJ im Palast der Republik sollte der für sein Friedensengagement bekannte US-Sänger Harry Belafonte auftreten. Sein westdeutscher Konzertmanager Fritz Rau stellte eine Bedingung: Belafonte tritt auf, wenn auch Udo Lindenberg singen darf. Zähneknirschend stimmte die ostdeutsche Seite zu – wenn Lindenberg den "Sonderzug" nicht singt.
Friedensfest unter Beobachtung
Von da an begleiteten verschiedene Diensteinheiten der Stasi die Vorbereitungen, das Konzert und die Reaktionen. Die Geheimpolizei protokollierte, wie im Lande über Lindenbergs Auftritt diskutiert wurde. Inoffizielle Mitarbeiter (IMInoffizieller MitarbeiterInoffizielle Mitarbeiter waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit...) berichteten über die Reaktionen auf die Auftrittserlaubnis, über die Eintrittskartenvergabe, die Konzertvorbereitungen. Nur ausgewählte FDJ-Mitglieder sollten Karten erhalten.
Die Stasi-Bezirksverwaltung Berlin hatte die Veranstaltung "abzusichern" und brachte am Tage des Konzertes über 400 Mitarbeiter zum Einsatz. "Provokationen und andere negativ-feindliche Handlungen" wie etwa "Sympathiebekundungen für den BRD-Sänger Udo Lindenberg in der Öffentlichkeit" waren zu verhindern. Dazu wurden "Schwerpunkträume" im Stadtzentrum verstärkt beobachtet. Die Stasi kooperierte eng mit der Volkspolizei.
"Zuführungspunkte" für festgenommene Personen wurden eingerichtet. Kriminalpolizisten, kontrolliert von Stasi-Mitarbeitern, vernahmen die "Zugeführten". Die S-Bahnhöfe im Stadtzentrum und die Fernbahnhöfe wurden überwacht. Pläne und Absichten "feindlich-negativer Kreise Jugendlicher im Zusammenhang mit der Veranstaltung" waren aufzuklären. Der gesamte Bereich vor dem Palast war abgesperrt, Posten der Volkspolizei und der Stasi kontrollierten die Zugänge.
Entgegen dem Protokoll zeigte sich Lindenberg am Bühneneingang des Palastes der Republik seinen Fans und wurde von ihnen begeistert gefeiert.
Lindenberg-Tournee durch die DDR?
Die für den Sommer 1984 angedachte DDR-Tournee von Udo Lindenberg wurde nach dem Auftritt im Palast der Republik von der ostdeutschen Seite abgesagt. Wegen der geplanten Tour hatte es, das ist dokumentiert, intern Verstimmungen gegeben. In einem Brief an Kulturminister Hans-Joachim Hoffmann erboste sich der Generaldirektor der Künstleragentur der DDR, Hermann Falk, dass er von dieser Konzert-Tournee nichts erfahren habe und sie auch nicht organisieren sollte.
Erst Anfang 1990 – Honecker war gestürzt, die Mauer gefallen – konnte Lindenberg endlich durch die DDR touren. In Suhl, Erfurt, Leipzig, Magdeburg, Schwerin und Rostock jubelten die Fans ihm zu.
Geschichte in der Stasi-Mediathek: Udo rockt für den Weltfrieden