Text
Nr. 335
Die deutsche Delegation des Organisationskomitees der Bank für internationalen Zahlungsausgleich an den Reichskanzler. Baden-Baden, 1. November 19291
R 43 I/671, Bl. 20-24, hier: Bl. 20-24
[Betrifft: Verhandlungen des Organisationskomitees.]
Sehr geehrter Herr Reichskanzler!
In der Anlage beehren wir uns, den vom Organisationskomitee einstimmig beschlossenen Entwurf der Statuten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich sowie den Entwurf der Charter der Bank zu überreichen. Über den bisherigen Verlauf der Verhandlungen und zur Erklärung einiger wichtiger Formulierungen des Statutenentwurfs möchten wir folgendes berichten2:
[1086] Eine Entscheidung über den Sitz der Bank ist noch nicht gefällt worden. Über diese Frage hat bisher nur eine Besprechung der 7 Delegationsführer stattgefunden, die kein Ergebnis hatte. Daneben sind private Erörterungen zwischen einzelnen Delegierten über diese wichtige Angelegenheit gepflogen worden. Sowohl aus der erwähnten Besprechung als auch aus den privaten Unterhaltungen geht hervor, daß die Delegierten Frankreichs, Italiens und Belgiens geschlossen für den Sitz der Bank in Brüssel eintreten3. Die amerikanischen Delegierten wollen sich anscheinend, im Falle eine Majorität für Brüssel vorhanden ist, auch dieser Majorität anschließen. Der links Unterzeichnete hat es vermieden, auf die für Brüssel geltend gemachten geographischen, finanzpolitischen und allgemeinen wirtschaftlichen Gründe einzugehen, sondern lediglich betont, daß Brüssel aus den bekannten politischen Gründen für Deutschland völlig aus der Diskussion ausscheide; da für den Erfolg der Bank die positive Einstellung und freiwillige Mitarbeit der gesamten deutschen Wirtschaft und vor allem der Reichsbank unerläßlich sei, so möge man bei der Entscheidung dieser Frage die Einstellung der deutschen Delegierten nicht übergehen4.
Es zeigte sich bei den sonstigen Verhandlungen alsbald, daß wir einer ausgesprochen politischen Tendenz gegenüberstanden, die von der französischen und italienischen Delegation mit größter Entschiedenheit vertreten wurde und die jedenfalls zunächst auch bei der englischen und belgischen Delegation eine wohlwollende Unterstützung fand. Es handelte sich dabei
1. | um die Frage der Bedeutung des Young-Plans für die Bank und ihre Statuten und |
2. | um die Frage der sogenannten Trust-Agreements zwischen den Gläubigermächten und der Bank, die das Organisationskomitee vorzubereiten hat. |
Die französisch-italienische Auffassung läßt sich wie folgt kennzeichnen: „Der Young-Plan bedeutet lediglich eine Reihe von Empfehlungen an die Regierungen, Rohstoff für ein juristisches Vertragswerk, das zwischen den Regierungen geschaffen werden muß. Die mehr oder weniger unklaren, zum Teil widerspruchsvollen Ideen des Young-Plans müssen also schließlich – und das ist die Aufgabe der abschließenden Haager Konferenz – in ein ganz klares juristisches Instrument gebracht werden, aus dem allein sich alle Verpflichtungen der Beteiligten präzise ergeben. Dadurch soll dann der Young-Plan seine Erledigung finden und ersetzt werden.
Der gleiche Grundsatz hat auch für die Statuten der Bank zu gelten. Der Young-Plan ist keine Richtschnur für die Bank, sondern auf Grund des Young-Plans ist die Satzung der Bank in präziser rechtlicher Form zu gestalten, und nur diese Satzung, nicht aber der Young-Plan bindet die Bank.
[1087] Die reparationspolitischen Bestandteile des Young-Plans, soweit sie mit den deutschen Zahlungen an die Bank zusammenhängen, werden allein in den Trustee-Verträgen niedergelegt, die die Bank mit den Gläubigern schließen muß. Diese Verträge sollen auch der deutschen Regierung zur Kenntnisnahme – nicht zur Zustimmung – im Haag vorgelegt werden. Die Bank ist in Reparationssachen Treuhänderin der Gläubigermächte. Die Reparationsfrage soll in die erwähnten Trust-Agreements sozusagen hermetisch eingeschlossen werden, und der Board der Bank soll sich mit Reparationsfragen womöglich gar nicht zu beschäftigen haben.
Die Bank soll also eine allgemeine Weltbank und keine Reparationsbank werden. Die Reparationen könnten nur auf diese Weise wirklich völlig entpolitisiert und definitiv kommerzialisiert werden.“
Diese mehr oder weniger bestechenden Ausführungen sind naturgemäß mit dem Young-Plan gar nicht zu vereinbaren. Sie stehen im schroffsten Gegensatz zu dem ungeheuren Übergewicht, das die Reparationsländer über alle übrigen Länder in der Bank dauernd haben sollen. Naturgemäß ist der Zweck der französisch-italienischen These der, die Reparationen dauernd und unwiderruflich zu kommerzialisieren und zu entpolitisieren, insbesondere jede Revision der deutschen Reparationsschuld unmöglich zu machen. Ferner auch alle diejenigen Teile des Young-Plans, die, wenn auch nicht in präziser juristischer Form, doch in der Form von Erwägungen, Grundsätzen und Argumenten Deutschlands Stellung bei künftigen Revisionsverhandlungen zu stärken geeignet sind, verschwinden zu lassen (z. B. die in dem Schlußkapitel des Young-Plans enthaltenen Ausführungen)5.
Wir haben gegenüber dieser These zunächst den Grundsatz aufgestellt, daß ebenso wie der Dawes-Plan auch der Young-Plan als Ganzes von den beteiligten Regierungen angenommen werden müsse. Diese These schließt naturgemäß gewisse Änderungen des Young-Plans, wie sie bereits auf der ersten Haager Konferenz eingetreten sind, nicht aus. Aber in seiner endgültigen Form muß der Plan als Ergebnis der abschließenden Haager Konferenz alle Regierungen binden und auch die Bank, die nur auf Grund des Ergebnisses der endgültigen Regierungskonferenz gegründet werden und nur von den Regierungen letzten Endes ihre Zuständigkeit in Reparationssachen ableiten kann. Wir haben ferner den Grundsatz aufgestellt, daß die Bank und zwar auf Grund des Young-Plans nicht nur gegenüber den Gläubigerregierungen, sondern auch gegenüber Deutschland wichtige Pflichten und Obliegenheiten hat. Den Einwurf der Gegner, daß es ja Deutschlands Sache sei, ob es seinerseits – sei es zusammen[1088] mit den Gläubigermächten, sei es getrennt von ihnen – in einem Trustee-Vertrag mit der Bank sich diejenigen vertraglichen Rechte sichern wolle, auf die es glaubt, Anspruch zu haben, räumten wir durch den Hinweis aus, daß das Reparationsproblem im Young-Plan ausdrücklich nicht als ein bloßes deutsches Problem, sondern als ein gemeinsamen Problem aller Beteiligten, ja der ganzen Welt bezeichnet sei, die Bank somit nicht nur Pflichten gegen Deutschland habe, sondern das ganze Reparationsproblem als ein weltwirtschaftliches Interesse anzufassen habe. Wir erklärten ferner, nicht als Regierungsvertreter hier zu sein und über die Absichten der deutschen Regierung hinsichtlich eines Trust-Vertrages keine Informationen zu besitzen. Die Konferenz möge die Trustee-Verträge, die der Young-Plan als Verträge zwischen der Bank und den Gläubigermächten vorsieht, auf dieser Basis entwerfen, also ohne Hineinbeziehung Deutschlands und ohne daß ein Sondervertrag der Bank mit Deutschland von der Konferenz entworfen werden solle. Dabei müsse selbstverständlich der deutschen Regierung das Recht zu entscheiden, ob sie einen Vertrag mit der Bank schließen wolle oder nicht, allein vorbehalten werden. Die Verpflichtungen aber, die nach dem Inhalte des Young-Plans die Bank Deutschland gegenüber habe, müßten in einer die Bank bindenden Form in der Grundverfassung und Satzung der Bank selbst verankert werden. Zu diesem Zweck haben wir vorgeschlagen, daß die Aufgaben der Bank, die sie während der Dauer des Young-Planes habe, in der Weise festgelegt werden, daß der Sachverständigenplan Richtschnur des Handelns der Bank sein müsse, daß sie die im Plan vorgesehenen Funktionen zu übernehmen habe und in allen ihren Geschäften auf die Erleichterung der Durchführung des Planes bedacht sein müsse – dies alles naturgemäß mit der Einschränkung, die sich aus den Statuten der Bank selbst ergibt, d. h. aus dem Kreise der ihr statutenmäßig erlaubten Geschäfte. Ferner haben wir gefordert, daß für die Trustee-(oder Agent-)Verträge, die die Bank abschließen wird, die Richtschnur in der Satzung selbst gegeben wird in der Weise, daß solche Verträge nur im Rahmen des Young-Plans abgeschlossen werden dürfen und daß sie die Verpflichtungen, die die Bank gegenüber Dritten hat, niemals beeinträchtigen dürfen6.
Wir standen zunächst einem sehr starken Widerstand gegenüber. Von englischer Seite wurde uns gesagt, die „deutsche These“ habe es erreicht, die[1089] Konferenz, die als eine Besprechung von Notenbankvertretern gedacht war, zu einer politischen Konferenz zu machen, bei der sämtliche Delegationen der Gläubigermächte nunmehr geschlossen der deutschen Partei gegenüber am Tisch säßen. Deutschland befolge offenbar mit seinem Vorgehen rein politische Ziele.
Wir haben uns durch derartige Bluff-Versuche nicht beeindrucken lassen, sondern an unserer Linie festgehalten mit dem Ergebnis, daß die von uns geforderten Bestimmungen schließlich ohne Einschränkung in den Text der Satzung einstimmig aufgenommen wurden (Artikel 4 und Artikel 23 n)7.
Aus dem übrigen Inhalt des Statutenentwurfs möchten wir nur auf den Artikel 20, der die Veto-Klausel der Zentralnotenbanken behandelt, und auf die Artikel 40 ff., die die Vollmachten des Präsidenten der Bank festlegen, hinweisen8. Bei der Veto-Klausel bestand die Gefahr, daß das Einspruchsrecht der Reichsbank mit Rücksicht auf die deutsche Reparationsverpflichtung gewissen Beschränkungen unterliegen sollte. Es ist jedoch gelungen, eine dahingehende Sonderbestimmung abzuwehren.
Daraus, daß die Machtbefugnisse des Präsidenten der Bank außerordentlich stark gestaltet worden sind, folgt, daß für diesen Posten bis auf weiteres nur eine neutrale bzw. amerikanische Persönlichkeit in Betracht kommen kann, was im Organisationskomitee auch allseitig zugegeben worden ist.
Zum Abschluß gekommen sind noch nicht die Verhandlungen über die Treuhandverträge. Die Formulierung der Artikel 4 und 23 n bedingt jedenfalls, daß die Treuhandverträge im Rahmen des Young-Plans bleiben müssen und die Rechtsstellung Deutschlands nicht beeinträchtigen können. Bei den Gläubigermächten besteht nun die Absicht, die Empfehlungen des Young-Plans und des Haager Protokolls dahin auszulegen, daß die Bank auch Verpflichtungen zu übernehmen hat hinsichtlich der Durchführung der Kriegsschuldenzahlungen der Alliierten. Die deutsche Delegation hat sich auf den Standpunkt gestellt – und sie befindet sich dabei in Übereinstimmung mit den amerikanischen Delegierten –, daß die Treuhandaufgaben der Bank sich auf rein bankmäßiger Grundlage abzuwickeln haben und eine Inanspruchnahme irgendwelcher Mittel der Bank oder Einlagen der deutschen Regierung für diesen Zweck nicht in Betracht gezogen werden kann9. Die beigefügten Grundsätze sind für die Ausarbeitung[1090] der Trustee-Verträge angenommen worden10.
Die bisherigen Verhandlungen in Baden-Baden haben in vieler Beziehung die politische Einstellung unserer Gegner für die Schlußkonferenz der Regierungen deutlich erkennen lassen; die Ergebnisse der Baden-Badener Konferenz werden naturgemäß von starker Rückwirkung sein auf die abschließende Regierungskonferenz. Auch dort wird die These der Ersetzung des Young-Plans durch ein rein juristisch formuliertes Vertragswerk vorgebracht werden, und man wird zu ihrer Widerlegung auf die Baden-Badener Ergebnisse zurückgreifen müssen. Ferner dürfte der Grundsatz, der auf der Baden-Badener Konferenz anerkannt worden ist, daß die Bank nicht die Aufgabe hat, ihrerseits irgendwie zur Bezahlung der interalliierten Kriegsschulden an Amerika beizutragen, sondern daß die Schuldner dieser Schulden aus sich allein und selbst das Nötige dafür aufzubringen haben, um die Zwischenräume zwischen den deutschen Reparationsfälligkeiten und den Kriegsschuldfälligkeiten zu überbrücken,[1091] auch von erheblichem präjudizierenden Einfluß für den Abschluß der Regierungskonferenz sein. Die englische und die französische Delegation rechneten sehr stark mit der Möglichkeit, eines auch aus deutschen Mitteln zu bildenden Fonds, aus dem diese Bedürfnisse befriedigt werden sollten. Ferner gingen ihre Gedankengänge dahin, daß ein deutsches Moratorium automatisch durch Vermittlung der Bank auf Grund ihrer Trustee-Verträge die Inanspruchnahme des Moratoriums gegenüber Amerika mit sich bringen sollte11. Diese Gedankengänge werden auch auf der abschließenden Regierungskonferenz eine Rolle spielen. Aus allen vorangehenden Gründen wird daher die aktive Mitarbeit des links Unterzeichneten auf der Haager Schlußkonferenz notwendig werden12.
Ein wichtiger, von deutscher Seite betonter Grundsatz ist von der Konferenz gleichfalls widerspruchslos hingenommen worden, nämlich daß in der Bank, solange der Young-Plan besteht, Deutschland und Frankreich eine gleich starke Vertretung in jeder Hinsicht zu beanspruchen haben. Dieser Gedanke ist naturgemäß nicht in die Statuten aufgenommen worden, er soll aber in dem Bericht, den das Komitee verfassen wird, enthalten sein.
Außer den Statuten ist auch die Charter entworfen worden, die das Domizilland der Bank in Gesetzesform erlassen soll13.
Die folgenden Tage werden im wesentlichen dazu dienen, die Entwürfe über die Trustee-Verträge den vorher gekennzeichneten Grundsätzen anzupassen und schließlich eine Entscheidung über die Frage des Sitzes herbeizuführen.
Wir beehren uns darauf hinzuweisen, daß die in der Anlage beigefügten Dokumente14 wohl im wesentlichen als endgültig angenommen gelten können, daß sie jedoch formell noch keine abschließenden Urkunden darstellen, sondern voraussichtlich eine endgültige Lesung noch bevorsteht. Eine Veröffentlichung[1092] der Statuten und eine Bekanntgabe ihres Inhalts an die Presse ist von dem Komitee ausdrücklich unterlassen bzw. zurückgestellt worden, bis die Dokumente in ihrer endgültigen Form offiziell den Regierungen mitgeteilt worden sind. Mit Rücksicht hierauf bitten wir, den Inhalt dieses Schreibens streng vertraulich zu behandeln.
Da infolge der beiden katholischen Feiertage15 eine Ruhepause in den Verhandlungen eintritt, wollten wir die Gelegenheit zu einem vorläufigen Bericht an Sie, sehr geehrter Herr Reichskanzler, nicht vorübergehen lassen.
Abschriften haben wir an die Herren Reichsfinanzminister, Reichswirtschaftsminister und Reichsaußenminister gesandt16.
Mit dem Ausdruck vorzüglicher Hochachtung
Ihre sehr ergebenen
Dr. Hjalmar Schacht
Vocke
Fußnoten
- 1
Auf dem Briefkopf vermerkte der RK: „Mir am 3. 11. durch besonderen Boten zugestellt.“
- 2
Das Bankkomitee war am 4. 10. in Baden-Baden zusammengetreten; siehe dazu H. Schacht, 76 Jahre meines Lebens, S. 315 ff. Die Bankstatuten sind veröffentlicht im RGBl. 1930 II, S. 297 ff. – Zur ersten Verhandlungsphase hatte nach einem Gespräch mit Berthelot der deutsche Geschäftsträger in Paris, Rieth, berichtet: „Über die Baden-Badener Bankkommission sagte Berthelot, soeben sei Moreau bei ihm gewesen, der ihm gesagt habe, Arbeiten dieser Art schreiten in befriedigender Weise vorwärts. Herr Schacht habe zunächst die Absicht gehabt, der Bank einen größeren Umfang zu geben. Er scheint aber jetzt bereit zu sein, ihren Aufgabenkreis einzuschränken, und er, Berthelot, sehe infolgedessen keine erheblichen Schwierigkeiten mehr für den Abschluß der Arbeiten dieser Kommission voraus.“ Ein „positives Datum“ für den Abschluß der Kommissionsarbeit könne noch nicht genannt werden (Telegr. Nr. 972 vom 15. 10.; R 43 I/298, Bl. 506-511, hier: Bl. 506-511).
- 3
Am Rand ist dazu wahrscheinlich von Pünder vermerkt worden: „Frankreich, England, Italien, Japan, Belgien, Deutschland, Amerika (?)“.
- 4
Siehe dazu Dok. Nr. 337.
- 5
Zu diesen Einschränkungen berichteten später MinR Berger und MinR Ronde dem RFM: „In den ersten drei Statutenentwürfen der Engländer, Franzosen und Belgier war der Versuch unternommen worden, die eigentlichen Reparationsfragen, nämlich die Empfangnahme, die Verwaltung und die Verteilung der Annuitäten, die Mobilisierung, die Schutzklauseln usw. überhaupt nicht in den Statuten der Bank zu erwähnen, sondern sie ausschließlich den Trust-Agreements (Treuhändervereinbarungen) zwischen den Gläubigerregierungen und der B. I. Z. vorzubehalten. Der Hauptzweck war hierbei, die B. I. Z. unter den ausschließlichen Einfluß der Gläubigermächte zu stellen und die Mitwirkung Deutschlands auf ein möglichst geringes Maß zu beschränken“ (vom RFM der Rkei am 15. 11. zugesandt; R 43 I/671, Bl. 73-87, hier: Bl. 73-87).
- 6
Zur deutschen Haltung berichteten Ronde und Berger dem RFM: „Die deutsche These ging dahin, daß die Grundlage für alles, was die Bank tut und läßt, die Bestimmungen des Young-Plans seien und daß die in letzterem verankerten Rechte Deutschlands keinesfalls geschmälert oder verletzt werden dürften, gleichgültig, welche Bestimmungen in dem Statut und welche in dem Treuhändervertrag niedergelegt werden würden. Durch die Statuten sind die Verfassung und der Geschäftskreis der B. I. Z. nunmehr im Sinne der deutschen These festgelegt. Durch Artikel 4 und Artikel 22 (m) sind die Bestimmungen des Youngplanes wesentlicher Bestandteil der Statuten geworden und für die Bank maßgebend, soweit nicht die Statuten Abweichungen vorsehen. Solche Einschränkungen sind in dem Abschnitt III über die Befugnisse der Bank enthalten. Zu erwähnen sind hier das Vetorecht der Zentralbanken (Art. 20) und die verbotenen Geschäfte (Art. 25). Durch den erwähnten Artikel 22 (m) ist klargestellt, daß die Bank keine Treuhändervereinbarungen mit den Gläubigerregierungen abschließen kann, deren Inhalt den durch den Young-Plan begründeten Rechten der deutschen Regierung zuwiderlaufen könnte. Eine ähnliche Bestimmung findet sich in der Präambel zum Trust-Agreement“ (R 43 I/671, Bl. 74-87, hier: Bl. 74-87).
- 7
Richtig muß es heißen: Art. 22 n (in der endgültigen Fassung Art. 22 m). Siehe RGBl. 1930 II, S. 297 und 307.
- 9
Ausführlich berichteten hierüber Berger und Ronde dem RFM: „Der eigentliche Kernpunkt der Trust-Agreements hat sich erst in den späteren Beratungen klarer abgezeichnet. Im ersten Stadium bildete der Interessengegensatz zwischen England und Frankreich über die Frage, ob das Mobilisierungsproblem oder das Schuldenzahlungsproblem den Vorrang haben solle, die Hauptrolle. Da beide Parteien sich nicht einigen konnten, legten sie fast zu jedem Artikel Doppelformeln vor, die den gegensätzlichen Standpunkt erkennen ließen. Schließlich einigten sie sich bis zu einem gewissen Grade; die Engländer gaben ihren starren Standpunkt auf, obwohl Addis noch in einer der letzten Vollsitzungen erklärt hat, daß England im Haag eine Änderung des Youngplanes in dieser Beziehung vorschlagen wolle, wogegen die Franzosen die englische These von der Durchführung der Schuldenzahlung durch die Bank unterstützen halfen. – Die Hauptfrage war indessen, wie weit die Bank als selbständiger Faktor der Schuldenregulierung auftreten sollte. In dieser Frage war England die treibende Kraft, auf dessen Initiative Artikel VI der Anlage I des Haager Protokolls vom 31.8.29, der bestimmt, daß die Bank an den Fälligkeitsdaten der Nettokriegsschulden an die Gläubigermächte zahlen soll, zurückgeht. – Die erste praktische Folge dieses Artikels ist, daß Mittel zu finden sind, um das Defizit zu decken, welches dadurch entsteht, daß an den Tagen der großen Fälligkeiten für die Zahlung der Alliierten an Amerika Hunderte von Millionen RM fehlen, um die die Eingänge aus den Reparationszahlungen an diesen Tagen zurückgeblieben sind (der Ausgleich findet erst später im Laufe des Jahres statt). England braucht sich um die Beschaffung dieser Mittel gerade mit Rücksicht auf den Artikel VI keine Sorgen zu machen, weil es im Haag sich von Frankreich, Belgien und Italien zusagen ließ, die Zinsersparnisse (von ca. 4 Millionen) sich selbst zugute zu bringen. Das Bestreben der benachteiligten Länder geht daher dahin, die Basis der Aufbringungspflichtigen möglichst unter Heranziehung Deutschlands zu verbreiten, was ihnen in Baden-Baden jedoch nicht geglückt ist. – Erst als es gelungen war, in den Statuten, den Grundsätzen, daß die Bank sich nach dem Young-Plan und den Statuten zu richten habe und daß die Trust-Agreements die Verpflichtung der Bank gegenüber Dritten nicht beeinträchtigen dürften, zum Erfolg zu verhelfen, trat die deutsche Delegation aus ihrer Zurückhaltung heraus. Aus der Erwägung, daß es nach wie vor unzweckmäßig sei, ein unmittelbares Band zwischen Amerika und Deutschland in der Reparationsfrage zu schaffen, stellte sie sich den Amerikanern zur Seite, die sich, wie zu erwarten war und wie ihr Entwurf vom 2. 11. erkennen läßt, zum entschiedenen Gegner einer solchen Politik gemacht haben. Die Amerikaner haben dabei zu uns gesagt, daß sie sich mit allen Mitteln gegen die alliierten Bestrebungen wehren würden, jedenfalls, soweit das hiesige Organisationskomitee in Betracht käme. Sollten die Regierungen im Haag etwas anderes beschließen, so könnten sie sie natürlich nicht daran hindern. Die Bank würde allerdings in einem solchen Falle die Unterstützung Amerikas nicht erhalten; dadurch würden auch die Bestrebungen Frankreichs, Amerika zur Teilnahme an der Mobilisierung zu veranlassen, keine Aussicht auf Erfolg haben“ (R 43 I/671, Bl. 74-87, hier: Bl. 74-87).
- 10
„Summary of Principles to be observed in Draft of Trust-Agreement.
1.It will be drawn from the view-point of the Bank.
2.The Bank will not itself assume the responsibility for any financing.
3.The form of the instrument will avoid any commitment as to details of administration and accounting.
4.The draft will be in the form of a joint agreement between the Bank on one side and on the other the Creditors Nations who accept the plan.
5.The agreement will include only those matters which are a) precise, and b) in conformity with sound and orthodox banking practices and authorized under the Statutes.
6.Subject to the foregoing the draft will incorporate such matters as have been settled a) by the Young Plan, or b) by the Hague Protocoll of August 31, 1929.
7.The draft will provide for an adequat charge for the services rendered by the Bank; although not necessarily the charge.
8.As to matters not now precise or in conformity with sound and orthodox banking practice the Comittee will submit later an memorandum suggesting to the Governments means by which they can conform their indicated desires to sound and orthodox banking practices and give them the indispensable precision“ (R 43 I/671, Bl. 42, hier: Bl. 42).
- 11
Hierzu teilten Berger und Ronde dem RFM mit: „England hat als Gläubigermacht das Interesse, eine vermehrte Sicherheit für seine Kriegsschuldenforderungen an seine alliierten Schuldnerstaaten zu erhalten. Diese Forderungen sind zwar fundiert, beruhen aber auf einem bloßen Staatsversprechen. Eine zusätzliche, sehr wesentliche Sicherheit soll dadurch geschaffen werden, daß die Eingänge Deutschlands in einem Schulden-Pool der B. I. Z. gesammelt werden, bis die Abführung an den Fälligkeitstagen erfolgt. (Englisches Interesse an einem Schuldenzahlungsverhältnis zwischen Deutschland und Amerika.) Endlich und vor allem besteht das englische Ziel der Schuldenpoolung in der Bank darin, geeignete Vorkehrungen für den Fall eines deutschen Moratoriums zu schaffen. Erklärt Deutschland ein Moratorium, so soll die Last desselben auf Amerika abgewälzt werden. Entweder bietet Amerika seinen ganzen Einfluß auf, um das Moratorium zu hintertreiben, oder es muß sich damit abfinden, daß es während der Moratoriumszeit kein Geld bekommt, indem nämlich England und die anderen Gläubigerstaaten Deutschlands automatisch von ihrem eigenen Moratoriumsrecht gegenüber Amerika Gebrauch machen. Diese Mächte würden unter den heutigen Umständen ein Moratorium nicht erklären, weil ihr Kredit dadurch erschüttert würde. Sie würden aber, falls es gelingt, der Theorie, daß die Bank Mittlerin der Schuldenzahlung ist, zu praktischem Erfolg zu verhelfen, derartige Skrupel nicht zeigen.“ Aus amerikanischen Äußerungen gehe hervor, daß dort diese Ziele erkannt worden seien (R 43 I/671, Bl. 74-87, hier: Bl. 74-87).
- 12
Am Rand von der Hand Pünders: „Gemeint ist offenbar (im Gegensatz zur 1. Haager Konferenz) als Delegierter.“
- 14
Es handelte sich dabei um die Statuten und die Charter der B. I. Z. sowie um die „Summary of Principles“.
- 15
Allerheiligen und Allerseelen.
- 16
In einer Erörterung dieses Schreibens mit dem RWiM und dem RFM beim RK sprachen sich Curtius und Pünder für eine Beteiligung Schachts als Delegierter bei der zweiten Haager Konferenz aus und Hilferding dagegen (Vermerk Pünders auf einem Schreiben an Schacht, in dem dem RbkPräs. lediglich mitgeteilt wurde, daß die Besprechung stattgefunden habe; 4.11.29; R 43 I/671, Bl. 43, hier: Bl. 43).