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[308] 8) Außerhalb der Tagesordnung: Aus dem Ruhrgebiet.
Der Herr Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft berichtet, daß nach ihm zugegangenen Mitteilungen die Kaufleute in Essen, Bochum und wohl auch in Dortmund an Franzosen Waren verkauften und daß sie, daraufhin zur Rede gestellt, geantwortet hätten, sie wären gezwungen das zu tun, da sie ja nicht wüßten, ob sie genügend entschädigt würden, wenn ihre Läden bei Verweigerung des Verkaufs an Franzosen geplündert würden10.
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Die Gewerkschaften sowie die Handels- und Handwerkskammern des Ruhrgebiets hatten am 16. 2. die Kaufleute, Handwerker und Gastwirte des Einbruchsgebiets aufgefordert, alle Verkäufe und Dienstleistungen an frz. und belg. Militär- und Zivilpersonen einzustellen (Aufruf in R 43 I/211, Bl. 265). Bgm. Schmid erklärte in einer Besprechung mit Gewerkschaftlern und Vertretern des Kleinhandels und Kleingewerbes am 19. 2., „daß der vollständige Boykott in der Richtung der Regierungspolitik liege, daß man ihn aber nicht von oben befehlen könne, sondern daß er aus der Bevölkerung selbst herauswachsen müsse.“ Der entstehende Schaden würde ersetzt wie andere Schäden, die infolge der Ruhrbesetzung einträten (R 43 I/209).
Der Herr Reichsverkehrsminister teilt mit, daß sich gewisse Zeichen in der Bevölkerung geltend machten, die auf eine nicht genügende deutsche Propaganda schließen ließen.
Der Herr Reichsminister der Finanzen bittet, die Frage der Propaganda im Ruhrgebiet zum Gegenstand einer besonderen Besprechung zu machen.