1.46 (mu22p): Nr. 302 Der Reichsverband der Deutschen Industrie an den Reichskanzler. 25. September 1929

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 1). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Kabinett Müller II. Band 2 Hermann Müller Bild 102-11412„Blutmai“ 1929 Bild 102-07709Montage  von Gegnern des Young-Planes Bild 102-07184Zweite Reparationskonferenz in Den Haag Bild 102-08968

Extras:

 

Text

RTF

[963] Nr. 302
Der Reichsverband der Deutschen Industrie an den Reichskanzler. 25. September 1929

R 43 I /2036 , Bl. 206, hier: Bl. 206

Betrifft: Reform der Arbeitslosenversicherung.

Der Vorstand des Reichsverbands der Deutschen Industrie beschäftigte sich in seiner Sitzung am 19. d. M. eingehend mit der Reform der Arbeitslosenversicherung. Er ist mit der Vereinigung der Deutschen Arbeitgeber-Verbände der Meinung, daß, ohne berechtigte soziale Gesichtspunkte zu vernachlässigen, eine finanzielle Sanierung der Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung auch möglich ist, wenn eine Erhöhung der Beiträge vermieden wird. Darüber hinaus betont der Vorstand, daß es unbedingt notwendig ist, die Arbeitslosenversicherung in einer Form durchzuführen, die eine Belastung des Reichshaushalts ausschließt. Ist in besonderen Fällen ein Darlehen nicht zu vermeiden, so muß die Reichsregierung durch Herabsetzung der Leistungen dafür sorgen, daß das Darlehen alsbald eine Deckung findet.

Der Vorstand des Reichsverbandes der Deutschen Industrie sieht in der Art, in der bisher die Reform der Arbeitslosenversicherung behandelt worden ist, einen äußerst schweren Fehler, der zu den schlimmsten Folgen führen muß. Obwohl es schon vor Monaten klar war, daß die Arbeitslosenversicherung in finanzieller und materieller Hinsicht geändert werden muß, ist es bis heute noch nicht gelungen, dem Parlament eine Regierungsvorlage zuzustellen, für die die Regierung in allen Punkten die Verantwortung zu übernehmen willens ist. Das zeigt, daß man nicht den Mut hat, aus einem Zustand, der von allen einsichtigen Kreisen als gefährlich erkannt worden ist, Konsequenzen zu ziehen, die finanziell und staatspolitisch notwendig sind.

Der Reichsverband der Deutschen Industrie fordert daher im Interesse der gesamten Wirtschaft mit größtem Nachdruck eine schleunige Reform der Arbeitslosenversicherung, die ihre Durchführung ohne Beitragserhöhung irgend welcher Art und ohne Heranziehung öffentlicher Mittel gewährleistet und Mißbräuche ausschließt1.

1

Hierzu vermerkte Pünder in einer Notiz für den RK: „Die wörtliche Übereinstimmung der heutigen Entschließung der Dt. Volkspartei hinsichtlich des Hauptsatzes im 1. Absatz mit dieser Stellungnahme des Reichsverbands ist sicher nicht zufällig. Ebenso bemerkenswert ist aber, daß der scharfe Schlußsatz vorstehender Stellungnahme in der Entschließung der Volkspartei fehlt“ (27. 9.; R 43 I /2036 , Bl. 206, hier: Bl. 206). Der Beschluß der DVP, der in Abwesenheit des RAM und des RWiM von der RT-Fraktion unter Vorsitz von Zapf gefaßt worden war, lautete: „Die RT-Fraktion der Deutschen Volkspartei billigt nach eingehender Besprechung der Vorschläge zur Reform der ALV einmütig die Haltung ihrer Vertreter im Sozialpolitischen Ausschuß. Sie hält an der Auffassung fest, daß ein Ausgleich der Einnahmen und Ausgaben der Reichsanstalt für ALV unter Wahrung aller berechtigten sozialen Gesichtspunkte ohne Beitragserhöhung und ohne neue Belastung des notleidenden Reichshaushalts möglich ist, wenn die von der DVP wiederholt gegebenen Anregungen zur Grundlage der Reform gemacht werden. Sie erblickt in der Sanierung der ALV die erste notwendige Maßregel zur Herbeiführung einer Gesundung der deutschen Wirtschaft und der Wiederherstellung geordneter Reichsfinanzen. Sie beauftragt ihre Vertreter, die Verhandlungen in diesem Sinne weiterzuführen“ (MNN, 28.9.29). – Das Schreiben des RdI wurde von Pünder am 7. 10. bestätigt (R 43 I /2036 , Bl. 207, hier: Bl. 207).

Mit vorzüglicher Hochachtung

Reichsverband der Deutschen Industrie

Die Geschäftsführung:

Herle Loening [?]

Extras (Fußzeile):