1.89 (bru3p): Nr. 603 Der Reichskanzler an den Deutschen Botschafter in London. 15. Dezember 1931

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Nr. 603
Der Reichskanzler an den Deutschen Botschafter in London. 15. Dezember 1931

R 43 I /518 , Bl. 315–317 Abschrift

[Betrifft: Abrüstungskonferenz] Persönlich!

Sehr geehrter Herr von Neurath!

Besten Dank für Ihren Brief vom 11. Dezember1, den ich, weil der Kurierschluß unmittelbar bevorsteht, nur kurz beantworten kann. Mit der von Ihnen eingenommenen Haltung gegenüber den Vorschlägen von Sir John Simon bin ich durchaus einverstanden. Wenn ich die englische Anregung mit der neueren Entwicklung in Basel vergleiche, die einen uns wenig befriedigenden Verlauf der Reparationsverhandlungen[2099] vorausahnen läßt2, so muß ich feststellen, daß der englische Vorschlag für die deutsche Öffentlichkeit untragbar erscheint. Ein Echec in der Reparationsfrage, verbunden mit einer Vertagung der Reparationskonferenz aus Gründen, die der Öffentlichkeit zweifellos nicht einleuchten werden, würde hier, man kann fast sagen, eine innerpolitische Katastrophe bedeuten. Mir erscheint eine Vertagung der Abrüstungskonferenz nur dann tragbar, wenn eine für Deutschland befriedigende Lösung der Reparationsfrage auch für die Öffentlichkeit sicher erreichbar erscheint.

1

Siehe Dok. Nr. 600.

2

Vgl. das folgende Dok. Nr. 604.

Auch sonst kann ich den Gedankengängen von Sir John Simon nur schwer folgen. Von dem schon längst festgelegten Termin der Abrüstungskonferenz trennen uns nur noch sechs Wochen. Zahlreiche Delegationen haben ihre Reise nach Genf bereits angetreten. Der Völkerbundsrat tritt erst in der letzten Januarwoche zusammen und könnte deshalb die Konferenz erst verschieben, nachdem sich fast alle Delegationen bereits in Genf eingefunden hätten.

Die Bedeutung der französischen Wahlen und die Ungunst des augenblicklichen Zeitpunkts verkenne ich keineswegs. Herr Henderson hat hier aber, als er uns im Sommer besuchte, ganz brauchbare Vorschläge gemacht. Ich würde es als kein Unglück betrachten, wenn die Reparationskonferenz ohne Premierminister und Außenminister eröffnet würde, also einen bescheidenen Anfang nähme. Herr Henderson hatte vorgesehen, daß die sechs Wochen bis Ostern durch Programmreden ausgefüllt werden sollten. Nach einer Pause wollte er etwa bis Pfingsten die Kommissionen tagen lassen und erst dann, also erst nach den französischen Wahlen in die eigentlichen Verhandlungen eintreten lassen. Wenn dieses Programm allgemein angenommen würde, könne man der zweiten Verhandlungsperiode dadurch einen besonderen Charakter geben, daß nunmehr Premierminister und Außenminister persönlich an den Genfer Abrüstungsverhandlungen teilnehmen.

Ich bitte Sie, Vorstehendes zur Grundlage Ihrer Besprechung mit Simon zu machen und verbleibe mit besten Empfehlungen

Ihr sehr ergebener

gez. Dr. Brüning

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