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[613] Nr. 150
Besprechung des Reichsministers der Finanzen mit den Finanzministern der Länder am 20. September 1932 im Reichsfinanzministerium1
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Lt. Einladungsschreiben des RFM vom 9. 9. (R 2/19975) sollte diese Besprechung um 11 Uhr vormittags beginnen.
Anwesend2: Graf Schwerin v. Krosigk; für Preußen: Schleusener, Nobis, Scheche, Wellmann; für Bayern: Schäffer, v. Preger, Hammer; für Sachsen: Hedrich, Hörig; für Württemberg: Dehlinger, Bosler; für Baden: Mattes, Sauer; für Thüringen: Marschler, Sauckel, Münzel, Stolze, Tappert; für Hessen: Nuß, Krapp, Edward; für Hamburg: Matthaei, Piper, Lippmann, Bauer; für Mecklenburg-Schwerin: Granzow, Tischbein; für Oldenburg: Pauly, Meyer-Rodenberg; für Braunschweig: Küchenthal, Boden, v. Stutterheim; für Bremen: Apelt, Nebelthau; für Anhalt: Knorr; für Lübeck: Kalkbrenner, Meyer-Lüerßen; für Mecklenburg-Strelitz: v. Michael, Siegert; für Lippe: Drake; Protokoll: RegR Lorenz.
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Lt. beiliegender handschr. Anwesenheitsliste, in der zwei Namen nicht entziffert werden konnten.
[Wirtschaftsprogramm der Reichsregierung, Finanzlage der Länder und Gemeinden]
Der Herr Reichsminister der Finanzen schlug für die Verhandlungen vor, keine speziellen Etatwünsche vorzutragen, die ihm bekannt seien. Man solle vielmehr nur Fragen und Probleme besprechen, die Bedeutung für alle Länder haben. Aus der Neuberechnung der Überweisungssteuern 1932 ergebe sich, daß insbesondere die Einkommen- und Umsatzsteuer s. Zt. zu hoch angesetzt worden sei. Bei der Umsatzsteuer rechtfertige das Ergebnis der ersten Monate zwar nicht die jetzt neu eingestellten 1500 Millionen RM; aus Besprechungen mit den Landesfinanzamtspräsidenten habe er jedoch die Überzeugung gewonnen, daß künftig nicht mehr mit so starken Ausfällen wie in den ersten Monaten zu rechnen sei. Die Umsatzsteuer werde sich zweifellos in einer Größenordnung von 1450 bis 1500 Millionen halten. Die Aufkommenszahlen der anderen Überweisungssteuern seien im großen und ganzen unverändert geblieben, lediglich bei der Kraftfahrzeugsteuer müsse mit einem Zurückbleiben hinter der Schätzung gerechnet werden. Außer dem Steuerausfall von 300 Millionen würden dem Reich Mehrausgaben von 100 Millionen entstehen: für Reparationszwecke (belgisches Markabkommen3), für Garantien (Getreidebewegung), für Aufwendungen zu landwirtschaftlichen und kleinstädtischen Siedlungen. Ein weiteres Risiko für das Reich bestünde auch hinsichtlich der Bahn und Post. Man wisse noch nicht, ob nicht das Reich auf Grund der Garantie für die Reichsbahnvorzugsaktien4 in Anspruch genommen werde, und ob die Post die vorgesehenen[614] Beträge auch abliefern könne5. Die Postrückstände bei der Sozialversicherung seien zwar abgewickelt, nicht jedoch die der Berufsgenossenschaften. Die zunächst im Reichsetat vorhanden gewesene Reserve sei nicht nur voll aufgezehrt, sondern es ergebe sich auch ein bedeutender Fehlbetrag.
Die ungünstige Finanzlage der Länder und Gemeinden sei hier durchaus bekannt. Gerade diese Lage habe das Reichskabinett zu seinem Wirtschaftsprogramm veranlaßt. In einem Augenblick, in dem die Krise auf den Grund gekommen sei, habe man das Steuer herumwerfen müssen. Die Reichsregierung erhoffe eine Belebung der Wirtschaft durch die Steuergutscheine und ihr Arbeitsbeschaffungsprogramm. Wenn die Steuergutscheine auch für die Realsteuern gegeben würden, so würden dadurch den Ländern und Gemeinden doch keine Ausfälle erwachsen. Die Einlösung gehe allein zu Lasten des Reichs. Werde in 1934 die Umsatzsteuer mit Steuergutscheinen gezahlt, so trete hierdurch in den Überweisungen keine Kürzung ein; denn maßgebend sei das Brutto- und nicht das Nettoaufkommen der Steuer. Die Begebung von Steuergutscheinen für die Hauszinssteuer habe das Reichskabinett abgelehnt, dagegen habe das Reich 50 Milionen für Instandsetzungsarbeiten an Wohngebäuden zur Verfügung gestellt, und zwar für die Hausbesitzer, die ein Mehrfaches für Hausreparaturen aufwenden würden6. In ähnlicher Weise seien Anhalt und Oldenburg vorgegangen.
Es könne in Frage kommen, die Frist für die Ablösung der Hauszinssteuer zum dreifachen Betrag über den 30.9.1932 hinaus zu verlängern7. Das Aufkommen aus dieser Ablösung sei bisher weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Das sei auch der Grund, weshalb die Umschuldungsaktion nicht weiter getrieben worden sei. In Frage könne weiter kommen, ob das Gesetz von 1899 auf die kurzfristigen Kredite der Länder auszudehnen sei8.
Was die Finanzlage der Gemeinden anbetrifft, so sei dem Wunsche der Länder, den Ausgleichstock auf 20 v. H. der Wohlfahrtshilfebeträge zu erhöhen, entsprochen worden9.
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Durch die NotVO vom 4.9.32, wo es im Vierten Teil, Kap. I, Art. 1 u. a. heißt: „Die Landesregierung kann zwanzig vom Hundert der auf die Bezirksfürsorgeverbände des Landes entfallenden Beträge […] einem Ausgleichsstock zuführen, der zugunsten solcher Gemeinden (Gemeindeverbände) zu verwenden ist, die durch den Aufwand zur Arbeitslosenhilfe besonders belastet sind.“ (RGBl. I, S. 425, 429).
Die Länder wünschten weiter
1. eine Erhöhung der Reichshilfe von 672 Millionen10,
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Reichshilfe zur Erleichterung der Wohlfahrtslasten der Gemeinden, die gemäß NotVO vom 14.6.32 (RGBl. I, S. 273, 278) im Rechnungsjahre 1932 672 Mio RM betragen sollte. Aufgrund dieser NotVO war die RReg. allerdings auch ermächtigt, den Betrag niedriger oder höher „festzusetzen, soweit die Erfordernisse der Arbeitslosenhilfe es zulassen oder nötig machen“.
[615] 2. das Festhalten der Unterstützten in der Alu und Kru11,
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D. h. wohl Verlängerung der Unterstützungsdauer aus Mitteln der Arbeitslosenunterstützung (Alu) und der Krisenunterstützung (Kru), um eine Entlastung der Gemeinden herbeizuführen, denen die Finanzierung des größten Teils der Wohlfahrtserwerbslosenunterstützung (Wohlu) oblag. Zum System der Arbeitslosenfürsorge vgl. Anm 18 zu Dok. Nr. 9.
3. eine Änderung des Verteilungschlüssels.
Ob die Berechnung des Städtetags, die eine Mehrbelastung der Gemeinden von 150 Millionen ergibt, richtig sei, könne zunächst noch nicht gesagt werden. Die Berechnungen können erst Anfang Oktober aufgemacht werden. Würden sich in der Alu und Kru Ersparungen ergeben, so können diese für die Wohlu verwandt werden.
In der Frage der Bürgersteuer sei inzwischen den Gemeinden, die die Bürgersteuer 1931 erhoben haben, das Recht gegeben worden, die Bürgersteuer auch in den Monaten Oktober bis Dezember zu erheben12. Die Bürgersteuer 1933 sei auf das Kalenderjahr umgestellt worden. Bei der Etatisierung der Bürgersteuer würden allerdings gewisse Schwierigkeiten sich ergeben.
Zu einer allgemeinen Kürzung der Beamtengehälter oder zu einer stufenweisen Hinausschiebung der Zahlungen habe sich das Reichskabinett nicht entschließen können. Es müsse den Ländern überlassen bleiben, entsprechende Anordnungen zu treffen, falls ihre Etatlage es erfordert.
Eine Möglichkeit, die Länder an der Krisensteuer zu beteiligen13, sei nicht gegeben. Das Reich habe lediglich die Ledigensteuer von dem Einkommensteueraufkommen nicht mehr in Höhe von 72, sondern nur noch in Höhe von 60 Millionen abgesetzt. Das bedeute für die Länder eine gewisse Besserung.
In der Frage der Eisenbahnabfindung14 kann das Reich Zahlungen im Rechnungsjahr 1932 nicht in Aussicht stellen. Das Reich habe den Erlös aus Vorzugsaktien in Einnahme gestellt15. Sei eine Veräußerung der Aktien im Hinblick auf die Lage des Geldmarktes nicht möglich, so erhöhe sich der Fehlbetrag. Er bedaure, daß im Jahre 1924 eine Einigung mit den Eisenbahnländern nicht zustande gekommen sei. Jetzt müsse man daran denken, die Streitfrage zur sachlichen Entscheidung des Staatsgerichtshofs zu bringen.
Zur Aufrechterhaltung des Wirtschaftslebens in Grenzgebieten habe das Reich 50 Millionen bereitgestellt16. Der Betrag sei jedoch zur Erfüllung nationaler Aufgaben jenseits der Grenze bestimmt und nicht für innerdeutsche Zwecke.
Was den Schutz des Waldes betrifft, so habe die Reichsbahn die Holztarife bereits ermäßigt. Das Kabinett habe den Beschluß gefaßt, positiv vorzugehen und den Wünschen nach Zollerhöhung und Kontingentierung zu entsprechen17.
Über die Frage der Kontingentierung der Einfuhr landwirtschaftlicher Produkte gingen die Ansichten auseinander. Ebenso, ob in der Zinsfrage mit Gesetzeszwang vorzugehen sei.
Der preußische Staatssekretär Schleusener führte aus, Preußen könne auf[616] der Einnahmeseite keine Verbesserungen mehr vornehmen. Auch auf der Ausgabenseite habe das Land alles getan.
Mit den Gehältern liege es nominal unter den Friedenssätzen, nur bei einzelnen Beamtengruppen sei das noch nicht der Fall. Die preußische Besoldungsordnung sei ungünstiger als die des Reichs. Das Reich müsse eine Verordnung erlassen, die die Länder ermächtige, alle Besoldungen, die über 5% des Friedensstandes hinausgingen, auf diesen Stand zurückzuführen.
Auf dem Gebiete der Justizverwaltung ließen sich noch Ergebnisse erzielen: Einführung einer Höchstgrenze für Anwaltsgebühren, Aufhebung des Anwaltszwangs für Fiskalprozesse, weitere Einführung des Einzelrichters, Durchführung des Verfahrens in Ehesachen im Wege der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Herabsetzung der Anwaltsgebühren in Armensachen. Die finanziellen Schwierigkeiten seien nicht zuletzt die Folge reichsrechtlicher Maßnahmen, der Senkung der Hauszinssteuer und der Realsteuersperre. Die Mindereinnahmen der Länder aus den Reichsüberweisungssteuern könnten künftig auch nicht mehr durch Abstriche und neue Steuern (Schlachtsteuer) wettgemacht werden. Das Reich müsse vielmehr dazu übergehen, den Finanzausgleich neu zu regeln. Würden keine Sonderzuweisungen an einzelne Länder erfolgen, so hätte Preußen in den letzten Jahren 150 Millionen mehr erhalten.
In der Eisenbahnabfindungssache hielt der preußische Vertreter es für notwendig, den Staatsgerichtshof entscheiden zu lassen.
In der Frage der Erwerbslosenhilfe müßten die Ersparnisse in der Alu und Kru den Gemeinden zugute kommen. Bei Ausschüttung der Wohlfahrtshilfe dürfe das Reich keine Reserven zurückbehalten. Die Herabsetzung bei der Ledigensteuer von 72 auf 60 Millionen sei zu begrüßen. Nach preußischer Ansicht dürften jedoch nur 45 bis 50 Millionen abgesetzt werden.
Preußen sei nicht in der Lage, die von der Post geforderten 11 Millionen Vorschüsse für landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften zu zahlen.
Preußen könne in 1933 auch keine Ausgaben einstellen für Aufgaben, die Reich und Länder gemeinsam durchführen.
Bayerischer Finanzminister Staatsrat Dr. Schäffer: Bayern habe kein Interesse an einer Umschuldungsaktion und an einer Verlängerung der Frist für die Ablösung der Hauszinssteuer über den 30.9.1932 hinaus. Bei Verteilung der Wohlfahrtshilfe sei der Schlüssel zugunsten Bayerns zu ändern. In der Frage der Personalausgaben werde Bayern dem badischen Vorbild folgen und seine Beamten in sechs Monaten nur das Gehalt von 5½ Monat zahlen. Es sei immer noch besser, die Auszahlungstermine zu strecken, als am Ende nichts mehr zahlen zu können. Würden die Reichsbeamten nicht von dieser Gehaltsstreckung erfaßt werden, so sei das unerfreulich. Das Reich dürfe die Länder von der Krisensteuer nicht ausschließen. In der Frage der Reichsbahnabfindung werde Bayern in seinen Etat eine entsprechende Position einsetzen.
Sächsischer Finanz- und Wirtschaftsminister Dr. Hedrich: Den Ländern sei es nicht möglich, die Steuerausfälle durch einen Reservefonds zu decken. Sachsen hätte es begrüßt, wenn Steuergutscheine auch für die Hauszinssteuer gegeben worden wären. Die Umschuldung kurzfristiger Anleihen müsse schnellstens in die Wege geleitet und auf die Länder ausgedehnt werden. An dem Schlüssel[617] für die Verteilung der Wohlfahrtshilfe dürfe nichts zu Ungunsten Sachsens geändert werden. Er bedauere, daß das Reich das Rollsystem bei den Gehaltszahlungen nicht mitmachen will. Die Krisen- und Ledigensteuern seien Einkommensteuern und müßten zu 75% auf die Länder verteilt werden.
[…]
Württembergischer Finanzminister Dr. Dehlinger: Das Reich dürfe sich gegenüber einer Gehaltskürzung schon im Hinblick auf Post und Bahn nicht ablehnend verhalten. Bei der Bürgersteuer müsse den besonderen Verhältnissen Württembergs Rechnung getragen werden. Die Wohlfahrtshilfe darf nicht unabhängig vom Finanzausgleich verteilt werden. Wenn die Ablösung der Hauszinssteuer nicht in dem erwarteten Ausmaße erfolgt sei, so sei das darauf zurückzuführen, daß die Pflichtigen kein Vertrauen zum Reiche hätten. Es müsse daher immer wieder betont werden, daß eine Änderung in der Frage der Hauszinssteuer nicht erfolgen werde. Die Umschuldung spiele in Württemberg keine Rolle; er habe Bedenken gegen ein Hereinnehmen auch der Länder in das Gesetz von 1899. Bei der Ausgabe von Steuergutscheinen für Mehrbeschäftigung in der Landwirtschaft müßten Vorschriften getroffen werden, die eine andere Vergleichszeit als die Monate Juni bis August 1932 vorsehen.
Der Herr Reichsminister der Finanzen sagte eine entsprechende Regelung in der Ausführungsverordnung zu den Steuergutscheinen zu18. Die Entscheidung darüber, ob das Gewerbesteuerrahmengesetz zum 1.4.1933 allgemein anzuwenden ist, werde rechtzeitig ergehen19. In der Frage der Umschuldung gingen die Ansichten der Länder auseinander, die Fragen würden nochmals geprüft werden.
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Zur Regelung s. § 23 der Durchführungsverordnung des RFM vom 26.9.32 (RGBl. I, S. 459, 465).
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Es handelt sich um die Gewerbesteuerrahmenvorschriften des Dritten Teils der NotVO vom 1.12.30 (RGBl. I, S. 531), deren Nichtanwendung im Rechnungsjahre 1932 der RFM – einem Antrag der Landesregierungen entsprechend – durch VO vom 17.2.32 (RGBl. I, S. 73) angeordnet hatte. Zur Anwendung dieser Vorschriften kam es auch späterhin nicht mehr. An ihre Stelle traten mit Wirkung vom 1.4.37 die reichseinheitlichen Neuregelungen des „Gewerbesteuergesetzes“ vom 1.12.36 (RGBl. I, S. 979; Begründung dazu in RStBl. 1937, S. 693 ff.).
Die Frage der Reichsbahnabfindung soll vor dem Staatsgerichtshof weiter verfolgt werden.
Der Herr Minister begrüßte die gemachten Ersparnisvorschläge. Er empfahl, diese Fragen in einem Sonderausschuß zu behandeln.
Der Badische Finanzminister Dr. Mattes schloß sich den Ausführungen des bayerischen Vertreters an. Gingen die Länder zu Postnumerandozahlungen über, so werde sich das auf Jahre hinaus auswirken. Die Differenzierung zwischen Reichs- und Länderbeamten ließe sich nicht verantworten. Das Reich müsse entweder nachfolgen oder den Ländern die Mittel zum Ausgleich des Unterschieds geben.
Der Vertreter von Bremen führte aus, die Holzkontingentierung ginge zu Lasten der Hansestädte. Die Wohlfahrtshilfeverteilung sei für Bremen ungünstig. In der Zinsenfrage müsse versucht werden, auf dem inländischen Markt eine Zinssenkung zu erreichen. Die Gehaltsfrage müsse von reichswegen geregelt werden.
Der Vertreter Hamburgs äußerte Bedenken gegen ein Inkrafttreten des Gewerbesteuerrahmengesetzes[618] zum 1. April 1933. Bedenken bestünden auch gegen eine zwangsweise Zinsherabsetzung.
Oldenburgischer Staatsminister Pauly: Oldenburg habe nicht nur das Rollsystem eingeführt, sondern auch größere Gehaltskürzungen vorgenommen. Das Land könne vom Reich verlangen, daß es auch ihm gegenüber seine Pflicht erfülle. Wenn die Zinsen so hoch seien, daß die Wirtschaft sie nicht mehr tragen könne, so sei das ein unsittlicher Zustand. Das Reich müsse dann tun, was nötig sei. Das Wirtschaftsprogramm beruhe auf dem Wege der Kreditvorschöpfung. An eine völlige Beseitigung der Arbeitslosigkeit sei nicht zu denken. Die Länder müßten in die Lage versetzt werden, Arbeiten auszuführen, die der Privatwirtschaft keine Konkurrenz machten (Kanalbauten, Kulturarbeiten). Mit Kontingentierungsmaßnahmen allein sei der Landwirtschaft nicht zu helfen.
Der Mecklenburg-Strelitz’sche Staatsminister Dr. von Michael bat, die Frist zur Ablösung der Hauszinssteuer über den 30.9.1932 hinaus zu verlängern. Eine Ausgleichung der Gehälter in Reich und Ländern sei notwendig. In letzter Zeit hätten die Frachtausschüsse die Frachten bis zu 40% erhöht.
Der Mecklenburg-Schwerin’sche Ministerpräsident Granzow bat um Auskunft, ob es wahr sei, daß das Reich beabsichtige, die kleineren norddeutschen Länder „unterzupflügen“.
Der Herr Reichsminister der Finanzen führte aus, von dem Plan des „Unterpflügens“ sei ihm nichts bekannt. Die Frage der Osthilfe sei nicht weitergegangen, weil die Frage der Genossenschaften nicht geklärt worden sei. Es sei zunächst notwendig, diese Frage zu bereinigen. Eine Differenzierung der Beamtenbezüge mit Reich und Ländern sei auf die Dauer in der Tat unmöglich. Er schlug vor, zunächst die Frage der Überhöhung der Beamtenbezüge gegenüber der Vorkriegszeit in einem Sonderausschuß erörtern zu lassen.
Im Einvernehmen mit den Ländern wurde festgestellt, daß diesem Sonderausschuß angehören Vertreter der Länder Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Hamburg, Thüringen und Mecklenburg-Schwerin20.
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Über die Arbeiten des Sonderausschusses berichtete der RFM mit Schreiben an StSRkei und die beteiligten Landesregierungen vom 22. 10. (24 Seiten) u. a.: Der Ausschuß habe in Sitzungen am 24. 9. sowie am 4., 5. und 18. 10. eingehend die Frage erörtert, „ob und welche Ersparnisse in den Haushalten, insbesondere der Länder und Gemeinden über das bisher erreichte Maß hinaus noch erzielt werden könnten“. Die vom Ausschuß in diesem Zusammenhang gefaßten Entschließungen sind dem Schreiben des RFM beigefügt. Sie enthalten Vorschläge für Ersparnisse u. a. auf den Gebieten 1) der Schule (Einschränkung der Lernmittelfreiheit für Volksschulen, Reduzierung der Zahl der höheren Lehranstalten, zeitweilige Stillegung von Lehrerbildungsanstalten „mit Rücksicht auf die Zahl der vorhandenen ausgebildeten Lehrer und den in den nächsten Jahren stärker werdenden Rückgang der Kinderzahl“); 2) der Hochschule (Reduzierung der Stipendien aus öffentl. Mitteln); 3) der Besoldung („Eine Zurückführung der Gehälter auf einen bestimmten Hundertsatz der Friedensgehälter ist im Wege reichsrechtlicher Anordnung undurchführbar“ u. a. „wegen der Verschiedenartigkeit der Vorkriegsbesoldung in den einzelnen Ländern“, es müsse eine Reichsverordnung betr. Einsparungen auf dem Gebiet der Reisekosten und der Nebenbezüge der Beamten erlassen werden); 4) der Jusitz (Verminderung des Rechtszuges in der Zivilgerichtsverwaltung, Erhöhung der Berufungssumme bei Urteilen der Amtsgerichte und der Landgerichte, Ermäßigung der Gebühren der Rechtsanwälte in Armensachen, Beseitigung des Anwaltszwanges in Fiskalprozessen) (R 43 I/2377, Bl. 271–282). Umfangreiche Materialien (u. a. Korrespondenzen, Besprechungsvermerke) zu den Arbeiten des Sonderausschusses befinden sich in R 2/20175.
Zur Frage der Ablösungsmöglichkeit bei der Hauszinssteuer werde man erwägen, die Frist über den 30.9.1932 hinaus um drei Monate zu verlängern.
[619] Der Herr Minister richtete an die Länder den Apell, entsprechend dem Vorgehen von Oldenburg und Anhalt einen Teil der Hauszinssteuer dann zu erlassen, wenn der Hauseigentümer in einem bestimmten Ausmaße Hausreparaturen vornehmen läßt.
In der Frage der Reichsbahnabfindung werde das Reich den Streit vor dem Reichsgerichtshof weitergehen lassen. Über das Ergebnis der Beratungen soll folgende Pressenotiz ergehen:
„Im Reichsfinanzministerium fand heute unter dem Vorsitz des Reichsfinanzministers eine Besprechung mit den Finanzministern der Länder statt. Die eingehende Aussprache ergab, daß bei den noch immer sinkenden Einnahmen und den steigenden Wohlfahrtsausgaben der Gemeinden die finanzielle Lage für viele Länder und Gemeinden in den nächsten Monaten selbst bei Annahme einer leichten Besserung der Wirtschaft noch äußerst schwierig werden wird und daher an weiteren Vereinfachungs- und Ersparnismaßnahmen, wo solche Möglichkeiten noch bestehen, nicht vorübergegangen werden kann. Zur Prüfung dieser Frage wird bereits in den nächsten Tagen ein kleiner Ausschuß im Reichsfinanzministerium zusammentreten, dem ein Vertreter des Reichsfinanzministeriums und sieben Vertreter der Länder angehören.“