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5. Reichsrat.
Der Reichsminister des Innern berichtete über die Reichsratssitzung am Vormittage23. Sie sei durchaus ruhig verlaufen. Auch die preußischen Vertreter Brecht, Badt und Cossmann hätten keine Schwierigkeiten gemacht.
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Hierbei handelte es sich um eine Sitzung des Reichsratsausschusses für Verfassung und Geschäftsordnungsfragen, über die eine amtliche Niederschrift nicht vorliegt. Zum Verlauf der unter Vorsitz des RIM abgehaltenen Sitzung heißt es im Reichsanzeiger vom 4. 11. u. a.: „Auf der Tagesordnung steht offiziell die Geschäftslage des Reichsrats. Tatsächlich handelt es sich jedoch um eine Sitzung, die als Ersatz für eine öffentliche Auseinandersetzung zwischen dem Reich und der preußischen Regierung zwischen beiden vereinbart worden ist, damit eine vertrauliche Aussprache über die Differenzen stattfinden kann.“ Man habe sich nach etwa einstündiger Verhandlung schließlich dahin geeinigt, „daß in der nächsten Woche eine neue Sitzung des Verfassungsausschusses stattfinden soll, in der die Verfassungsfragen besprochen werden sollen. Im Anschluß an die heutige Sitzung fand jedoch eine interne Besprechung der Hauptbevollmächtigten der verschiedenen Länder statt (ohne Beteiligung der Reichsregierung) über das weitere Verhalten der Länder. Sowohl die Beratungen des Reichsratsausschusses als auch die interne Besprechung der Ländervertreter waren streng vertraulich. Irgendwelche Auskünfte über den Verlauf der Verhandlungen waren bisher nicht zu erlangen.“
Allgemein sei angeregt worden, eine vertrauliche Aussprache in den Vereinigten Ausschüssen herbeizuführen über die Finanzlage, insbesondere der Gemeinden, und über das Verhältnis zwischen Reich und Ländern. Nach der Wahl solle allerdings ein zeitlicher Zwischenraum bleiben.
Er habe in Aussicht gestellt, daß die Aussprache über die Finanzen stattfinden werde. Wegen der Verhandlungen über das Verhältnis zwischen Reich und Preußen habe er die Entscheidung des Kabinetts vorbehalten. Insoweit habe Ministerialdirektor Brecht für Preußen die Stellung eines Antrages in Aussicht gestellt24, dem aber neben dem Reichsminister des Innern auch Bayern widersprochen habe.
[872] Er schlage vor, auch die Aussprache über die Besprechungen zwischen dem Reich und den Ländern zuzulassen, und zwar am Sonnabend nach der Wahl25. Vertreter der Bayerischen Staatsregierung hätten mitgeteilt, daß der Bayerische Ministerpräsident an den Reichskanzler in versöhnlichem Sinne geschrieben habe.
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12.11.32.
Je mehr im Verhältnis zwischen Reich und Preußen vollendete Tatsachen vorlägen, desto geringer sei für die Länder die Möglichkeit, für die Zustimmung Zugeständnisse zu erlangen. Deswegen habe Bayern vor der Aussprache bereits eine Vereinbarung mit dem Reiche angeregt. Er habe sich bereit erklärt, mit Bayern über alle Punkte der Reichsreform und der Verwaltungsreform zu verhandeln26, dabei aber auf die scharfen Reden des Bayerischen Ministerpräsidenten hingewiesen. Bayern habe sich darüber beklagt, daß es von der Ernennung des Reichsministers Popitz nicht rechtzeitig unterrichtet worden sei. Dabei handele es sich wohl um ein Mißverständnis.
Sachsen sei beruhigt. Mit Graf Holtzendorff und Ministerpräsident Schieck sei verhandelt worden.
Das Kabinett war damit einverstanden, daß die Vereinigten Ausschüsse des Reichsrats am Sonnabend, dem 12. November, vormittags 10 Uhr über die Finanzlage und das Verhältnis des Reiches zu den Ländern verhandeln27.